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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Monstrum würde wie Vlad Tepes oder Colonel Sebastian Moran, so trüge sie die Schuld daran. Wie auch am Tod all jener Menschen, die Druitt töten würde. Er hatte zu den Verdächtigen gehört: Selbst wenn Druitt in der Tat unschuldig war, so hatte er doch etwas an sich, das durchaus dafür sprach, dass er der Ripper war.
    »Trinken Sie.« Mit Mühe brachte Geneviève die Worte über ihre Lippen. Es tropfte rot von ihrem Handgelenk.
    Sie hob die Hand an Druitts Mund. Ihre Augenzähne glitten aus den Kieferscheiden, und sie senkte den Kopf. Der beißende Geruch von Druitts Blut stieg ihr in die Nase. Er wurde von einem Krampf geschüttelt; die Zeit drängte. Wenn er nicht sofort von ihrem Blut trank, musste er sterben. Sie legte ihr Handgelenk sanft an seine zerquetschten Lippen. Er wich zitternd zurück.
    »Nein«, lehnte er ihr Geschenk röchelnd ab, »nein …«
    Ein Schauer des Abscheus packte ihn. Dann starb er.
    »Nicht jeder möchte ewig leben«, bemerkte Moran. »Welch eine Verschwendung.«
    Geneviève beugte sich blitzschnell nach vorn und versetzte dem Colonel eine schallende Ohrfeige, mit der sie Beauregards Stock beiseitefegte. Als sie sah, wie Morans glutrote Pupillen zusammenschrumpften, wusste sie, dass er sich vor ihr fürchtete. Sie war noch immer voller Begierde, verspürte qualvollen roten Durst. Das befleckte Blut des toten Druitt konnte sie nicht trinken. Nicht einmal Morans Blut, das aus zweiter oder dritter Hand stammen mochte, konnte sie trinken. Doch sie konnte ihren Zorn lindern, indem sie ihm das Fleisch in Fetzen vom Gesicht riss.
    »Rufen Sie sie zurück«, plapperte Moran.
    Mit einer Hand packte sie seine Kehle, die andere schwebte drohend in der Luft. Sie hielt ihre mit scharfen Krallen bewehrten Finger zu einer Pfeilspitze gebündelt, die Morans Gesicht mit Leichtigkeit hätte durchbohren können.
    »Das lohnt nicht«, sagte Beauregard. Seine Worte löschten die Weißglut ihrer Wut, und sie hielt inne. »Er ist vielleicht nichts weiter als ein Wurm, aber er hat Freunde, Geneviève. Freunde, die Sie sich nicht zum Feind machen sollten. Freunde, die Ihnen bereits hinreichend zugesetzt haben.«
    Ihre Zähne glitten ins Zahnfleisch zurück, und ihre scharfen Fingernägel nahmen ihre frühere Gestalt an. Zwar gelüstete es sie immer noch nach Blut, aber sie hatte sich wieder in der Gewalt.
    Beauregard hob seinen Degen, und Moran befahl dem Kutscher anzuhalten. Das Selbstvertrauen des neugeborenen Colonels war dahin, und er zitterte, als sie aus dem Wagen stiegen. Ein blutiges Rinnsal lief seine Wange hinab. Beauregard schob den Degen in die Scheide, und Moran schlang sich einen Schal um den geschundenen Hals.
    »Quatermain hätte nicht mit der Wimper gezuckt, Colonel«, sagte Beauregard. »Gute Nacht, und empfehlen Sie mich dem Professor.«
    Morans Gesicht verschwand im Dunkeln. Dann setzte sich die Kutsche in Bewegung und sauste in den Nebel davon. Geneviève schwirrte der Kopf. Sie waren an den Ausgangspunkt ihrer kleinen Reise zurückgekehrt und befanden sich nun ganz in der Nähe der Ten Bells. In der Schenke war es keineswegs ruhiger geworden, seit Beauregard und Geneviève sie verlassen hatten. Vor der Tür stolzierten Frauen auf und ab und boten sich den Passanten feil.
    Genevièves Mund schmerzte, und ihr Herz pochte. Sie ballte die Hände zu Fäusten und versuchte die Augen zu schließen.

    Beauregard hob sein Handgelenk an ihren Mund. »Hier, nehmen Sie sich, was Sie brauchen.«
    Vor lauter Dankbarkeit schlotterten ihr die Knie. Sie wäre beinahe in Ohnmacht gesunken, doch in einem Nu war der Nebel in ihrem Kopf verflogen, und sie konzentrierte sich auf ihr Verlangen.
    »Danke.«
    »Nicht von Bedeutung.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Sie biss ihn sachte und entnahm ihm eben genug, um den roten Durst zu stillen. Sein Blut rann ihre Kehle hinab, besänftigte sie, verlieh ihr neue Kraft. Als es vorüber war, fragte sie, ob es für ihn das erste Mal gewesen sei, und er nickte.
    »Nicht unangenehm«, bemerkte er gleichgültig.
    »Es braucht durchaus nicht so formell zu sein«, erwiderte sie. »Beim nächsten Mal.«
    »Gute Nacht, Geneviève«, sagte er und wandte sich um. Er ging in den Nebel davon und ließ sie allein zurück, mit seinem Blut an ihren Lippen.
    Sie wusste ebenso wenig über Charles Beauregard, wie sie über Druitt gewusst hatte. Er hatte ihr nie anvertraut, aus welchem Grunde er sich so sehr für den Ripper interessierte. Oder weshalb er weiterhin seiner

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