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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Vampirkönigin diente. Mit einem Mal befiel sie leichtes Unbehagen. Jeder schien eine Maske zu tragen, eine Maske, hinter der sich alles Mögliche verbergen konnte …
    Alles.

43
    Des Fuchses Loch
    D er Wundarzt hatte es nicht vermocht, sämtliche Silbersplitter aus seinem Knie zu schneiden. Bei jedem Schritt verspürte er brennende Schmerzen. Manche Vampire waren imstande, verlorene Glieder neu zu bilden, ebenso wie einer Eidechse der Schwanz nachwuchs. Kostaki gehörte nicht zu ihnen. Seit geraumer Zeit schon lebte er verborgen hinter einer toten Maske; bald mochte er zu allem Überfluss auch noch gezwungen sein, wie ein Pirat auf einem Holzbein einherzustapfen.
    Zwei blutige Gelbschnäbel, scharfsichtige, neugeborene Rabauken, traten schwankend aus dem Schatten einer morschen, feuchten Mauer und versperrten den Ausgang des winzigen Hofes. Er blickte sie funkelnden Auges an und fletschte die Zähne, suchte sie durch Anstarren aus der Fassung zu bringen. Ohne ein Wort zogen sie sich ins Halbdunkel zurück und ließen ihn passieren.
    Er trug keine Uniform. Mit großem Hut und weitem Umhang humpelte er verstohlen durch den nächtlichen Nebel. Die Nachricht hatte auf eine Adresse im Alten Jago gelautet, ein Bezirk, der sich zu Whitechapel verhielt wie Whitechapel zu Mayfair.
    »Moldauer«, ertönte eine leise Stimme. »Hier drüben.«
    In der lichtlosen Mündung eines Gässchens erblickte Kostaki den Inspektor. »Freut mich, dass wir uns treffen, Schotte.«
    »Wenn Sie es sagen.«
    Mackenzies Mantel war ein einziges Sammelsurium aus Löchern und Flicken, und seine Wangen waren mit wochenalten Bartstoppeln bedeckt. Soviel Kostaki wusste, hatte den Inspektor in neuerer Zeit niemand mehr zu Gesicht bekommen. Seine Kumpane waren sehr um seine Sicherheit besorgt. Man nahm an,
dass er infolge einer undiplomatischen Äußerung nach Devil’s Dyke verbracht worden war.
    »Ein hübsches Bettlerpaar geben wir ab«, sagte Mackenzie, indem er den schmutzigen weiten Mantel enger um seine Schultern zog.
    Kostaki grinste. Es freute ihn, dass sich der Warmblüter nicht in einem Konzentrationslager befand. »Wo haben Sie gesteckt?«
    »Hauptsächlich in dieser Gegend«, erwiderte Mackenzie. »Und in Whitechapel. Die Fährte führt hier herum in sein Loch.«
    »Welche Fährte?«
    »Die unseres maskierten Fuchses mit dem Dynamit. Ich verfolge seine Spur seit jener Nacht im Park.«
    Kostaki dachte an den blitzhellen Pistolenschuss und die dunklen Augen unter der Kapuze. Die zischende Dynamitstange in von Klatkas Brust, einen Augenblick nur vor der Explosion. Den klumpigen, roten Regenguss. »Sie haben den Mörder ausfindig gemacht?«
    Mackenzie nickte.
    »Wie ich sehe, hat sich Scotland Yard seinen Ruf wohlverdient.«
    Mackenzies Miene war bitter. »Scotland Yard hat damit nichts zu schaffen. Weder Warren noch Anderson oder Lestrade. Sie waren mir im Wege. Also habe ich auf eigene Faust ein wenig nachgeforscht.«
    »Der einsame Jäger?«
    »Ganz recht. Warren hat zwar darauf bestanden, nach einem Kreuzfahrer Christi Ausschau zu halten, aber so dumm bin ich nicht. Sie waren doch dabei, Kostaki. Sie müssen sich erinnern. Der Mann mit der Kapuze. Er war ein Vampir.«
    Die dunklen Augen. Womöglich rot gerändert. Kostaki hatte sie nicht vergessen.
    »Und besagter Vampir hält sich hier, in dieser Absteige, versteckt.
« Mackenzie blickte auf. In dem Logierhaus, das dem Gässchen gegenüberlag, brannte ein Licht. Ein Zimmer im dritten Stockwerk. Schatten huschten über den verschossenen Musselinvorhang. »Ich habe ihn Tag und Nacht beobachtet. Man nennt ihn ›Danny‹ oder den ›Sergeant‹. Ein überaus interessanter Bursche, unser Fuchs. Er pflegt erstaunlichen Umgang.«
    Mackenzies Augen leuchteten. Kostaki erkannte den Stolz des siegreichen Jägers.
    »Sind Sie sicher, dass er unser Mann ist?«
    »So sicher, wie zwei mal zwei vier ist. Und Ihnen wird es nicht anders ergehen. Wenn Sie ihn sehen, seine Stimme hören.«
    »Wie haben Sie ihn aufgespürt?«
    Mackenzie lächelte erneut und legte einen Finger an die Nase. »Ich habe seine Fährte aufgenommen. Dynamit und Silber sind nicht leicht zu beschaffen. Es gibt nur wenige nennenswerte Quellen. Ich habe auf Trumpf gesetzt und mich in den irländischen Schenken umgehört. Ohne Zweifel hat er seine Finsterlinge unter den Feniern angeworben. Wenn es darangeht, reinen Tisch zu machen: Ich kenne die meisten mit Namen. Binnen achtundvierzig Stunden hatte ich eine Beschreibung des Sergeants.

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