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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Dann stieß ich auf ein paar unanfechtbare Tatsachen, die wie Brotkrumen verstreut lagen.«
    Das Licht wurde gelöscht. Kostaki wich tiefer in die Gasse zurück und zog Mackenzie mit sich.
    »Gleich werden Sie sehen«, sagte der Schotte. »Gleich werden Sie ihn sehen.«
    Eine windschiefe Tür wurde aufgezogen, und ein Vampir trat aus dem Haus. Es war der Mann, den Kostaki im Park gesehen hatte. Sein aufrechter Gang war unverkennbar. Ebenso die Augen. Obschon er alte Kleider und eine zerbeulte Schiebermütze trug, ließen seine stocksteife Haltung und der gewichste Schnurrbart den ehemaligen Soldaten der Britischen Armee erahnen. Der
Vampir blickte sich um und starrte einen furchterregenden Lidschlag lang in die finstere Gasse. Dann sah er auf seine Taschenuhr. Schnellen Schrittes marschierte der Sergeant von dannen.
    Mackenzie atmete erleichtert auf.
    Als die Schritte des Vampirs verhallt waren, sagte Kostaki: »Das war er.«
    »Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt.«
    »Weshalb haben Sie mich dann hierherzitiert?«
    »Weil ich Ihnen voll und ganz vertrauen kann. Wir haben schließlich eine Übereinkunft, Sie und ich.«
    Kostaki wusste, wovon Mackenzie sprach.
    »Wir müssen dem Sergeant folgen, seine Verbündeten ausmachen und dieser Verschwörung ein für alle Mal ein Ende setzen.«
    »Und da bekommt die Sache auch schon einen Haken. Männer wie Sir Charles Warren oder Ihr General Iorga verabscheuen Überraschungen. Ihnen ist es lieber, wenn der Übeltäter aus den Reihen ihrer Verdächtigen stammt. Nicht selten verwerfen sie eindeutige Beweise, weil diese einer fixen Idee zuwiderlaufen, die sie irrtümlich zu der ihrigen gemacht haben. Sir Charles hat bestimmt, dass der Dynamitverschwörer einer von Jagos Kreuzfahrern sein müsse und kein Vampir.«
    »Aber unter Vampiren hat es immer schon Verräter gegeben.«
    »Unser Sergeant ist ein Sonderfall, davon bin ich fest überzeugt. Noch tappe ich im Dunkeln, was das Ausmaß seiner Umtriebe betrifft. Und doch bin ich gewiss, dass er als bloßes Werkzeug weitaus größerer Mächte fungiert. Mächte, die womöglich größer sind als alles, was ein einfacher Polizist und ein Soldat zu bezwingen in der Lage sind.«
    Sie verließen ihr Versteck und traten vor das Haus des Sergeants. Es bedurfte keiner großen Worte. Sie wollten nun die Tür aufbrechen und die Räumlichkeiten des Mörders einer Durchsuchung unterziehen.

    Während Mackenzie die Straße im Auge behielt, sprengte Kostaki mit festem Griff das Schloss. Im Alten Jago war derlei weder ungewöhnlich noch verdächtig. Ein Seemann mit ausgestülpten Taschen torkelte im Zickzack an ihnen vorüber, den Blick von Gin oder Opium vernebelt.
    Sie schlüpften in das Logierhaus und erklommen drei schmale, steile Treppenfluchten. Neugierige Augen lauerten im Dunkel hinter Türspionen, dennoch blieben sie unbehelligt. Sie gelangten zu dem Zimmer, wo das Licht gebrannt hatte. Kostaki brach ein zweites Schloss auf, das ein gutes Stück solider war, als er es in einem solchen Loch vermutet hätte, und sie befanden sich im Innern.
    Mackenzie entzündete einen Kerzenstummel. Der Raum war blitzsauber, von beinahe soldatischer Ordnung. Das Betttuch über der schmalen Pritsche war stramm wie die Bauchmuskeln eines Ringers. Auf einem Pult lag Schreibwerkzeug, sorgfältig aufgereiht wie für eine militärische Inspektion.
    »Ich habe berechtigten Grund zu der Annahme, dass unser Fuchs nicht nur der Mörder Ezzelin von Klatkas ist«, verkündete Mackenzie, »sondern auch der scheinbare Attentäter, der John Jago eine Kugel auf den Pelz gebrannt hat.«
    »Das leuchtet nicht recht ein.«
    »Einem Soldaten vielleicht nicht. Für einen Gendarmen aber ist das ein alter Hut. Sie hetzen beide Parteien gegeneinander auf, setzen sie aufeinander an wie Hunde. Dann lehnen Sie sich bequem zurück und genießen das Schauspiel.«
    Mackenzie durchforstete die Papiere auf dem Pult. Neben dem Löschhorn standen ein frisches Fass roter Tinte und ein kleiner Krug voller Schreibfedern.
    »Haben wir es etwa mit einer Anarchistenrotte zu tun?«
    »Ganz im Gegenteil, würde ich meinen. Sergeants haben nicht das Zeug zum Anarchisten. Dazu fehlt es ihnen an Fantasie. Sergeants
dienen. Auf den Schultern von Sergeants lässt sich ein Weltreich errichten.«
    »Dann befolgt er also lediglich Befehle.«
    »Selbstverständlich. Die ganze Angelegenheit verströmt ein wenig den haut-goût des ancien régime, finden Sie nicht auch?«
    Kostaki hatte eine Eingebung.

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