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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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trat neben ihn und entnahm der Lade weitere Walzen. »Und hier … Lucy, Van Helsing, Renfield, Lucys Grab.«
    Van Helsing war jedermann ein Begriff; Beauregard wusste sogar,
dass es sich bei Renfield um den ersten Jünger handelte, den der Prinzgemahl in London hatte an sich binden können. Aber …
    »Kelly und Lucy. Wer sind die beiden? Bislang unbekannte Opfer?«
    Während Geneviève abermals die Papiere auf dem Schreibtisch durchsah, beantwortete sie Beauregards Frage. »Mit Lucy ist vermutlich Lucy Westenra gemeint, der erste englische Spross von Vlad Tepes. Dr. Van Helsing hat sie vernichtet, und Jack Seward steckte mit Van Helsing unter einer Decke. Er hatte immerfort Angst, die Karpatische Garde könnte ihn holen kommen. Es scheint fast so, als ob er sich hier verborgen gehalten hätte.«
    Beauregard schnippte mit den Fingern. »Art war mit von der Partie. Lord Godalming. Er wird uns dazu gewiss Näheres verraten können. Jetzt fällt es mir wieder ein. Lucy Westenra. Als sie noch warmblütig war, bin ich ihr einmal begegnet, bei den Stokers. Sie verkehrte auch in dieser Gesellschaft.«
    Ein hübsches, wenngleich recht albernes Mädchen, das ihn an Florence in jungen Jahren erinnerte. Alle Männer verzehrten sich nach ihr. Pamela hatte sie nicht leiden mögen, Penelope hingegen - damals noch ein Kind - war ganz vernarrt gewesen in das Mädchen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass seine frühere Verlobte ihr Haar wie Lucy frisierte, wohl damit sie ihrer Cousine nicht allzu ähnlich sah.
    »Jack hat sie geliebt«, sagte Geneviève. »Deshalb hat er sich dem Zirkel um Van Helsing angeschlossen. Was damals passiert ist, hat ihn offenbar um den Verstand gebracht. Ich hätte es wissen müssen. Er nennt sie Lucy.«
    »Sie?«
    »Seine Vampirmätresse. Eigentlich hat sie einen anderen Namen, aber so nennt er sie.«
    Geneviève stöberte im Schubfach eines massiven Aktenschranks, blätterte die Aktendeckel mit flinken Fingern durch.

    »Was diese Kelly anbetrifft«, sagte sie, »nun, wir führen in unseren Büchern jede Menge Frauen namens Kelly. Aber nur eine davon entspricht den Anforderungen unseres Freundes Jack.«
    Sie reichte ihm ein Blatt Papier mit der ausführlichen Krankengeschichte einer Patientin. Kelly, Mary Jane. 13 Miller’s Court.
    Geneviève war aschfahl. »Genau so heißt sie«, sagte sie. »Mary Jane Kelly.«

54
    Bindegewebe
    G eneviève Dieudonné und Charles Beauregard verließen Toynbee Hall am 9. November des Jahres 1888 gegen vier Uhr ante meridiem. Es würde Stunden dauern, bis die Sonne aufging, und der Mond verbarg sich hinter Wolken. Obgleich der Nebel sich etwas gelichtet hatte, war er dicht genug, selbst einen Vampir in seiner Nachtsicht zu behindern. Dennoch gelangten sie rasch an ihr Ziel.
    Geneviève und Beauregard gingen die Commercial Street hinab, bogen bei der Britannia, einer Schankwirtschaft, nach Westen in die Dorset Street und suchten die Adresse, unter der sie Mary Jane Kelly anzutreffen hofften. In Miller’s Court gelangte man durch einen engen, gemauerten Bogengang auf der Nordseite der Dorset Street zwischen Nummer 26 und einem Kramladen.
    Da sie das zerlumpte Subjekt, das in der Mündung des Gässchens kauerte, für einen Vagabunden hielten, schenkte keiner der beiden ihm besondere Beachtung. Die Dorset Street wurde hier herum gemeinhin »Dosset Street« genannt, wegen der Logierhäuser
oder doss houses, die viele Landstreicher und Bettler in diese Gegend lockten. Es war durchaus nicht ungewöhnlich, dass, wer die vier Pence für ein Bett nicht aufzubringen vermochte, im Freien nächtigte. In Wirklichkeit handelte es sich bei dem Subjekt um Arthur Holmwood - Lord Godalming -, und der schlief keineswegs.
    Es dauerte ein Weilchen, bis Geneviève und Beauregard herausgefunden hatten, welche Tür ihnen Zutritt zu Nummer 13 gewährte, einem im Parterre gelegenen Zimmer an der Rückseite von Nummer 26. Ein schmaler, rotglühender Lichtstreifen auf der Schwelle wies ihnen den Weg.
    Die Viertelstunde hatte noch nicht geschlagen. Zum Zeitpunkt ihrer Ankunft war Dr. John Seward bereits seit über zwei Stunden am Werk. Die Tür von 13 Miller’s Court war unverschlossen.

55
    Hölle, Tod und Teufel!
    H ölle, Tod und Teufel!«, fluchte Charles, nach Atem ringend. Andernfalls wäre Geneviève über sein erstaunliches Vokabular gewiss empört gewesen, nun aber konnte sie nicht umhin, ihm beizupflichten.
    Der ölige Geruch des Blutes einer Toten traf sie wie eine Pistolenkugel in den

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