Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
vertreten? Die Sir Charles Warrens vielleicht, indem er der Polizei das Verdienst an der Verhaftung zukommen ließ? Oder die des Prinzgemahls, indem er neuerlich einen bezwungenen Feind den Pfählen vor dem Palast überantwortete?
    »Er hat mich gebissen«, rief sich der Ripper einen unbedeutenden Zwischenfall ins Gedächtnis, »der Wahnsinnige hat mich gebissen.« Seward streckte seine geschwollene, behandschuhte Hand aus. Blut sickerte durch das Leder.
    »Vlad Tepes wird ihn unsterblich machen, damit er ihn auf immer und ewig foltern kann«, meinte Geneviève.
    Jemand kam aus dem Kramladen und blieb im Bogengang stehen. Beauregard erblickte rote Augen im Dunkel, und er erkannte die Silhouette eines vierschrötigen Mannes im karierten Ulster mit einem Bowler auf dem Kopf. Wie viel hatte dieser Vampir gesehen? Er trat in das Gässchen.
    »Nicht schlecht, Sir. Sie haben Jack the Ripper ein Ende bereitet.«
    Sergeant Dravot aus dem Diogenes-Club.
    »Es waren von Anfang an zwei Mörder, die gemeinsame Sache machten, Sir«, sagte Dravot. »Wir hätten es wissen müssen.«
    Die Welt begann sich abermals zu drehen, und die Pflastersteine
unter seinen Füßen stürzten ins Leere. Beauregard hatte keinen Schimmer, wo das alles enden sollte.
    Dravot bückte sich und riss eine zerlumpte Decke von einem Menschenbündel, das in einem Winkel kauerte. Ein totes, weißes Antlitz starrte zu ihnen herauf, die Lippen wie zu einem letzten Knurren verzerrt.
    »Godalming!«, stieß Beauregard hervor.
    »Lord Godalming, Sir«, ergänzte Dravot. »Er steckte mit Dr. Seward unter einer Decke. Letzte Nacht sind sie in Streit geraten.«
    Beauregard vermochte die Stücke dieses Vexierspiels noch nicht recht aneinanderzufügen. Er ging neben der Leiche in die Knie. An Godalmings Hemdbrust befand sich ein großer schwarzer Blutfleck. Inmitten dieses Flecks erblickte Beauregard eine ausgefranste Wunde, unmittelbar über dem Herzen.
    »Seit wann wissen Sie von alldem, Dravot?«
    »Sie haben die beiden Ripper gefasst, Sir. Ich habe lediglich für Ihr Wohlergehen gesorgt. Die Clique hat mir den Posten Ihres Schutzengels übertragen.«
    Geneviève stand ein wenig abseits und umklammerte Jack Sewards Arm. Ihr Gesicht lag im Schatten.
    »Und Jago? Waren Sie das?«, fragte Beauregard.
    Dravot zuckte mit den Achseln. »Das ist eine andere Geschichte, Sir.«
    Beauregard erhob sich, indem er seinen Stock zwischen die Pflastersteine stieß, und wischte sich die Knie sauber. »Es wird einen fürchterlichen Skandal geben. Godalming war hoch angesehen. Er genoss einen Ruf als Mann mit Zukunft.«
    »Sein Name wird vollständig ausgelöscht werden, Sir.«
    »Und er war ein Vampir. Das wird einige Aufregung verursachen. Es wurde allgemein angenommen, der Ripper sei Warmblüter.«
    Dravot nickte.

    »Die Clique wird bestimmt entzückt sein«, fuhr Beauregard fort. »Dies wird eine Menge Leute in Verlegenheit bringen. Die Sache wird Folgen haben. Da werden einige ihren guten Ruf verlieren und den Hut nehmen müssen. Der Premierminister wird ziemlich töricht aussehen.«
    Genevièves Stimme klang bitter. »Das ist ja alles recht schön, meine Herren. Aber was machen wir mit Jack?«
    Dravot und Beauregard sahen erst sie an, dann Seward. Der Ripper lehnte an der Gassenmauer. Seine Miene war von ermüdender Ausdruckslosigkeit. Blut tröpfelte aus seiner Schulterwunde.
    »Er hat völlig den Verstand verloren«, sagte Geneviève. »Was auch immer ihm Leib und Seele zusammengehalten haben mag, es ist nicht mehr.«
    »Vielleicht wäre es das Beste, wir überließen Mr. Beauregard die Ehre.«
    Geneviève blickte Dravot mit kaum verhohlenem Abscheu an. Beauregard blieb keine Wahl. Seine Geschicke hatten andere geführt. Er stand kurz vor der Erfüllung seiner Pflicht. Voller Verdruss erkannte er, dass er wenig mehr getan hatte, als Hürden auf einer ihm vorgegebenen Bahn zu überspringen.
    »Hoch mit ihm«, sagte Beauregard. »An die Wand.«
    Genevièves Hand lag an Sewards Kehle, und sie fuhr die Krallen aus. »Charles«, erwiderte sie. »Du brauchst es nicht zu tun. Wenn es denn sein muss, kann ich …«
    Er schüttelte den Kopf. Sie konnte ihm nicht helfen. Bei Liz Stride war es ebenso gewesen. Er hatte sie vor weiterem Leid bewahren wollen. »Lass nur, Geneviève«, sagte er. »Halt ihn fest.«
    Sie wusste, was er vorhatte, und willigte ein. Sie nahm ihre Hand von Sewards Hals. »Leben Sie wohl, Jack«, sagte sie. Er machte nicht den Anschein, als ob er begriffen

Weitere Kostenlose Bücher