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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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aber er wurde getragen von den Fluten der Geschichte, und dies war nichts weiter als ein glücklicher Zufall.
    Fackeln und hölzerne Kruzifixe schwenkend, drängte eine Schar raubeiniger Gesellen in den Hof, die Gesichter mit verkohltem Kork bemalt. An ihrer Spitze marschierte eine Nonne von winziger, biegsamer Gestalt, unter deren Schleier ein Antlitz wie eine chinesische Kamee zum Vorschein kam. Sie rief ihre Anhänger herbei und deutete gen Himmel.
    Eine Dunkelheit, finsterer als die schwärzeste Nacht, senkte sich über die Menge. Auf allem lastete ein gigantischer Schatten. Ein rotes Mondenpaar schien aus der Düsternis herab. Schleppende Flügelschläge ließen die Luft erzittern und zwangen die Menschen zu Boden. Die Fledermausgestalt füllte den Himmel über dem Palast.
    Einen Augenblick lang herrschte völlige Stille. Dann erhob jemand die Stimme gegen die Gestalt. Andere stimmten ein. Fackeln und Kieselsteine wurden in die Höhe geschleudert, doch ohne Erfolg. Schüsse wurden abgegeben. Der riesige Schatten schwang sich auf.
    Iorgas Männer, die sich nach ihrem würdelosen Sturz neu formiert hatten, fielen nun über die Menge her und hauten wild mit ihren Säbeln um sich. Sie schlugen den Pöbel ohne Mühe zurück. Beauregard und Geneviève wurden mit dem Strom durch das Haupttor gerissen. Trotz des großen Krawalls war der Schaden gering. Die chinesische Nonne verschwand als Erste in der Nacht, dann zerstreuten sich auch ihre Anhänger.
    Als sie das Tor passiert hatten, gestattete Beauregard sich einen Blick zurück. Der Schatten hatte sich auf dem Dach des Buckingham-Palastes niedergelassen. Eine dämonische Gestalt blickte vom First herab und raffte ihre Schwingen um sich wie einen
Mantel. Beauregard fragte sich, wie lange der Prinz sich wohl noch auf seiner Stange halten mochte.
    Große Feuer loderten in den Nachthimmel empor. Die Nachricht würde sich rasch verbreiten, sie war der Funke, der das Pulverfass zur Explosion zu bringen vermochte. In Chelsea, Whitechapel und Kingstead; in Exeter, Purfleet und Whitby; in Paris, Moskau und New York: In ihrer Folge würde sich die Welt verändern. Aus dem Park drang lautes Geschrei herüber. Düstere Gestalten tanzten und rangen miteinander …
     
    … sie verspürte einen Anflug von Bedauern: Ihre Stellung war verloren. Da sie nicht nach Toynbee Hall zurückkehren konnte, würden andere ihre Arbeit fortführen müssen. Ob mit oder ohne Charles, ob hier oder im Ausland, ob vor aller Augen oder im Verborgenen, sie wollte noch einmal von vorn anfangen, sich ein neues Leben aufbauen. Nichts mit sich nehmen außer dem Kruzifix ihres Vaters. Und einem guten, wenn auch leicht beschmutzten Kleid.
    Sie war überzeugt, dass die Kreatur auf dem Palastdach sie und Charles trotz ihrer Nachtaugen und ihres erhabenen Ausgucks nicht sehen konnte. Je weiter sie sich von ihr entfernten, desto kleiner wurde sie. Sowie sie den aufgespießten Kopf Abraham Van Helsings hinter sich gelassen hatten, blickte Geneviève zurück und sah nichts als Finsternis.

Zweites Buch

    DER ROTE BARON

    »Mechanischen Erfindungen wird im Vergleich zur Infanterie viel zu große Bedeutung beigemessen. Ohne Artillerie und Kavallerie geht es nicht! … Jeder Krieg hat seine ureigenen Bedingungen, denen wir unseren Apparat anpassen müssen, und wenn wir dabei nach vernünftigen Prinzipien vorgehen, werden nur wenige geringfügige Änderungen nötig sein. Je länger dieser Krieg andauert, als umso tauglicher werden sich unsere Ausbildungsprinzipien erweisen.«
    Field Marshal Sir Douglas Haig, 1918
     
     
    »Vorliegendes Bändchen gewährt einen nützlichen Einblick in die Methoden des Feindes und nötigt dem Leser überdies ein gerüttelt Maß an Hochachtung für viele derer ab, denen wir gegenwärtig nach dem Leben trachten.«
    C. G. Grey, Vorwort zur britischen Erstausgabe von Manfred von Richthofens Der rote Kampfflieger, 1918

I
    IM WESTEN NICHTS NEUES

1
Geschwader Condor
    V ier Meilen hinter den Linien hörte man in einem fort das
    Donnern schwerer Geschütze. Harschklumpen schimmerten matt auf dem finsteren, zernarbten Feldweg. Der Schnee war bereits mehrere Tage alt. Lieutenant Edwin Winthrop saß in seinen Trenchcoat und eine nutzlose Tartandecke gehüllt im Fond; insektengroße Hagelsplitter spickten sein Gesicht. Er hatte Angst, seine gefrorenen Schnurrbartspitzen könnten abbrechen. Der offene Daimler taugte nicht für eine eisige französische Winternacht wie diese. Sergeant Dravot war,

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