Die Vampire
Rinnsal ihre décolletage befleckte. Sie ergriff einen Fußschemel, hob ihn sich zum Schutz vor das Gesicht und parierte damit den nächsten Ausfall. Hentzau durchschnitt Bezug und Polsterung und trieb die Spitze seines Degens in das Holz. Als er sie wieder herauszog, quoll Rosshaar aus dem Riss hervor.
»Duell mit möblierter Dame, hä?«, spöttelte Hentzau.
Er hieb nach Genevièves Gesicht, und etliche ihrer Locken schwebten zu Boden. Von der Tür her kam ein Aufschrei, und irgendetwas landete vor Charles’ Füßen auf den Marmorfliesen …
… die erstickte Stimme gehörte John Merrick. Der Stockdegen lag zum Greifen nahe. Die arme Kreatur hatte ihn einem Lakai entrissen. Beauregard konnte es kaum fassen, dass er seine Königin tatsächlich überdauert hatte. Ihm war, als lebte er ein Leben nach dem Tode.
Der Gardist, aus dessen Gerippe ein Rapier hervorgesprossen war, rückte Geneviève zu Leibe. Hentzau schien als warmblütiger Mann keinen Schuss Pulver wert. Er war flink auf den Beinen, hatte Muskeln wie ein Springpferd und verfügte über einen Armdegen, mit dem er seiner Widersacherin mühelos den Kopf hätte abtrennen können.
Beauregard nahm seinen Stock, zog die versilberte Klinge aus dem Schaft und wog die Waffe in der Hand. Plötzlich begriff er, wie dem Ruritanier zumute war.
Mit einem gelinden Schlag fegte Hentzau der Vampirfrau den Schemel aus der Hand. Grinsend tat er einen Schritt zurück, um ihr mit einem letzten Hieb das Herz zu durchbohren. Beauregard ließ seinen Degen auf Hentzaus Arm herniedersausen, schob die Spitze seiner Klinge unter den Kiefer des Gardisten, stach sie durch dessen rauen Pelz und ritzte die Haut unter dem Kinn bis auf den nackten Knochen.
Der Ruritanier heulte auf in seiner Silberqual und wendete sich gegen Beauregard. Er holte zum Angriff aus; seine Degenspitze stieß herab wie eine Wasserjungfer. Obschon er fürchterliche Schmerzen leiden musste, ging er überaus behände zu Werke. Beauregard parierte eine rasche Folge von Attacken. Er sah den Hieb kommen. Plötzlich war ihm, als ob ein Angelhaken zwischen seinen Rippen steckte. Wie er - Bruchteile von Sekunden, ehe die messerscharfe Klinge ihm den Garaus machen konnte - zurückzuweichen suchte, rutschte er auf dem glatten Marmorboden aus. Er schlug der Länge nach hin, in der Gewissheit, dass Hentzau sich auf ihn stürzen und ihm die Schlagader durchtrennen würde, damit die Haremsfrauen aus seinen sprudelnden Wunden trinken konnten.
Hentzau hob seinen Armdegen wie eine Sichel; die Klinge sauste schwirrend herab. Beauregard wusste, dass sie ihm den Hals durchschneiden würde. Er dachte an Geneviève. Und Pamela. Mit letzter Kraft gelang es ihm, den Arm zu heben, um den tödlichen Hieb abzuwehren. Seine schweißnasse Hand umklammerte das schlüpfrige Heft seines Degens.
Ein schwerer Stoß ließ ihn am ganzen Leib erzittern. Hentzaus Arm traf auf Beauregards Silber. Der Gardist taumelte rückwärts. Sein Armdegen fiel als lebloser Klumpen zu Boden, säuberlich unterhalb des Ellbogens abgetrennt. Eine Blutfontäne schoss hervor, und Beauregard wälzte sich zur Seite.
Er sprang auf die Beine. Der Gardist packte seinen Armstumpf und geriet ins Straucheln. Sein Gesicht nahm menschliche Züge an, verlor von einem Augenblick zum anderen alle Haare. Sowie Hentzaus Geheul sich in ein ersticktes Schluchzen verwandelt hatte, hallte ein lautes Klirren durch den Saal. Beauregard und Geneviève wandten sich in die Richtung, aus der es gekommen war.
Prinz Dracula stand auf der Estrade. Er hatte sich die Kette der Königin vom Arm gerissen und sie zu Boden geworfen …
… als er von seinem Podest herabstieg, trat Dampf aus seinen Nasenlöchern. Über Jahrhunderte hinweg hatte er sich als höheres, der Menschheit überlegenes Wesen begriffen; nicht wie er von selbstsüchtigen Fantasien geblendet, wusste Geneviève, dass sie nichts weiter war als eine Zecke im Pelz der Warmblüter. In seinem aufgeblähten Zustand schien der Prinz beinahe lethargisch.
Geneviève drückte Charles an sich und wandte sich zur Tür. Vor ihnen stand der Premierminister. In dieser Gesellschaft wirkte er zivilisiert, ja blutleer.
»Aus dem Weg, Ruthven«, fauchte sie.
Ruthven überlegte, was er tun sollte. Da die Königin nun wirklich tot war, würde manches anders werden. In ihrer Verzweiflung ergriff Geneviève ihr Kruzifix. Sichtlich erstaunt, suchte Ruthven ein Lachen zu unterdrücken. Er hätte sie am Verlassen des Palastes hindern
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