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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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bahnte sich einen Weg zwischen den Haremsfrauen hindurch, indem er die Harpyien grob beiseitestieß, und umklammerte den Leib der Königin. Ihr Kopf sank nach hinten, als er das Skalpell mit einem heftigen Ruck herauszog. Ruthven presste eine Hand auf ihre Wunde, als könne er sie allein kraft seines Willens ins Leben zurückbefördern. Es war zwecklos. Mit dem Silbermesser in der Hand erhob er sich. Als seine Finger zu qualmen begannen, schrie er auf vor Schmerz und schleuderte das Skalpell weit von sich. Umringt von Draculas Ehefrauen, deren Gesichter sich in rachgierige Fratzen verwandelt hatten, fing der wie ein Murgatroyd herausgeputzte Premierminister mit einem Mal zu schlottern an.
    Beauregard wartete auf die Sündflut.

    Der Prinz, der nun kein Gemahl mehr war, sprang auf; sein Umhang bauschte sich wie eine Gewitterwolke. Riesige Hauer brachen aus seinem Mund, und seine Hände wurden zu Bündeln scharf geschliffener Speere. Seine Macht hatte einen Schlag erlitten, von der sie sich nie wieder erholen würde. Albert Edward, Prinz von Wales, war jetzt König; und sein Stiefvater, der ihn nach Paris in ein zwar angenehmes, doch gänzlich unsinniges Exil hatte verbringen lassen, hatte auf ihn keinen allzu großen Einfluss. Das Empire, das Dracula an sich gerissen hatte, würde sich gegen ihn erheben.
    Wenn Beauregard jetzt starb, hatte er genug getan.
    Dracula hob eine Hand, die nutzlose Kette baumelte von seinem Handgelenk, und deutete auf Beauregard. Unfähig zu sprechen, versprühte er Gift und Galle.
    Mit der Königin war auch die Großmutter Europas gestorben. Sieben ihrer Kinder waren noch am Leben, vier von ihnen Warmblüter. Dank Heirat und Sukzession verbanden sie die übrigen Königshäuser Europas. Selbst wenn man Bertie beseitigen ließe, gab es hinreichend Anwärter auf den Thron. Welch feine Ironie des Schicksals, dass der König der Vampire von einem schnatternden Haufen gekrönter Bluter gestürzt werden konnte.
    Beauregard trat den Rückzug an. Plötzlich stocknüchtern, versammelten sich die Vampire. Die Haremsfrauen und Gardeoffiziere. Die Frauen fielen als Erste über ihn her, rissen ihn zu Boden und schlugen ihm die Krallen in den Leib …
     
    … obschon Charles bemüht gewesen war, Schaden von ihr abzuwenden, indem er ihr die Pläne des Diogenes-Clubs verheimlichte, hatte sie trotzköpfig darauf beharrt, Dracula in seinem Drachennest aufzusuchen. Nun würden sie wahrscheinlich beide sterben müssen.
    Draculas Frauen stießen sie beiseite. Mit blutverschmierten
Klauen und Mäulern machten sie sich an Charles zu schaffen. Sie konnte die messerscharfen Küsse, mit denen die Frauen ihm Hände und Gesicht zerfetzten, förmlich spüren. Sie zerrte eine von ihnen - eine steirische Schlampe namens Gräfin Barbara de Cilly zu Graz, wenn Geneviève nicht alles täuschte - aus dem Getümmel hervor und schleuderte die kreischende Kreatur quer durch den Saal. Geneviève fletschte die Zähne und fauchte das gefallene Mädchen wütend an.
    Ihr Zorn verlieh ihr neue Kraft.
    Sie schritt zu dem tobenden Haufen hin, unter dem Charles begraben lag, und kämpfte ihn frei, indem sie wild auf die Weiber einhieb und ihre Nägel in sie bohrte. In ihrem Nest waren die Höflinge schwach und bis zum Rande voll mit Blut. Es bereitete ihr keine allzu große Mühe, Draculas Frauen beizukommen. Wie die anderen Furien schrie und spuckte Geneviève, riss büschelweise Haare aus und hackte nach roten Augen. Charles war blutüberströmt, aber er lebte. Sie kämpfte um ihn wie eine Wolfsmutter um ihr Junges.
    Die Höllenhexen taumelten rückwärts, fort von Geneviève, was ihr ein wenig Luft verschaffte. Charles befand sich, nach wie vor benommen, an ihrer Seite. Hentzau, der Hauptkämpe Draculas, ging vor ihnen in Stellung. Obgleich die untere Hälfte seines Körpers menschlich war, hatte er die Zähne und Klauen eines Tieres. Er ballte eine Hand zur Faust, und ein Knochenende glitt aus seinem Fingerknöchel hervor. Es wurde lang, starr und spitz.
    Sie tat einen Schritt nach hinten, begab sich außer Reichweite des knöchernen Rapiers. Die Höflinge wichen zurück und bildeten, wie die Zuschauer bei einem Boxkampf, einen Kreis. An seine tote Königin gefesselt, verfolgte Dracula das ungleiche Duell. Hentzau wirbelte herum und ließ seinen Degen, beinahe zu schnell fürs bloße Auge, durch die Luft sirren. Sie vernahm das Flüstern der Klinge und bemerkte kurz darauf, dass in ihrer
Schulter eine Wunde klaffte und ein rotes

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