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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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wie alle Toten, unempfindlich gegen die Kälte. Den Nachtaugen des Fahrers entging nichts.
    In Maranique kam es zu einer Verzögerung. Während Winthrop allmählich zu einem Eiszapfen gefror, überflog ein Corporal mit skeptischem Blick seine Papiere.
    »Wir hatten eigentlich Captain Spenser erwartet, Sir«, erläuterte die Wache. Der Mann war doppelt so alt wie Winthrop.
    »Captain Spenser ist von seinem Posten entbunden worden«, sagte Winthrop. Jede weitere Erklärung war überflüssig. Der Corporal hatte den Fehler begangen, sich an Spenser zu gewöhnen.
In diesem Gewerbe ein unverzeihlicher Fauxpas . » Wir befinden uns im Krieg. Falls Ihnen das entgangen sein sollte.«
    Blutrotes Mündungsfeuer färbte die tief hängenden Wolken über dem nahen Horizont. Wenn eine Granate in einem bestimmten Winkel durch die Luft schnitt, so übertönte sie mit ihrem Pfeifen selbst das babylonischste Bombardement. Es hieß, wer dieses Schrillen im Schützengraben höre, dem brachte das Geschoss den sicheren Tod.
    Der Corporal salutierte und winkte den Stabswagen durch. Als Flugplatz diente ein umgebauter Bauernhof. Tiefe Fahrspuren wiesen den Weg zu einem Haus.
    Das Geschwader Condor war bis zum heutigen Nachmittag Spensers Truppe gewesen. Und obschon er über eine Stunde gebüffelt hatte, war es Winthrop nicht gelungen, ihr Geheimnis zu ergründen. Zwar hatte man ihn über die bevorstehende Aufgabe in groben Zügen unterrichtet, die Einzelheiten lagen jedoch nach wie vor im Dunkeln.
    »Viel Glück, junger Mann«, hatte Beauregard gesagt. »Sie können sich einen Stern damit verdienen.«
    Er begriff nicht, wie ein Zivilist, obgleich er auf mysteriöse Weise eng mit dem Wing verbunden schien, ihm eine Beförderung in Aussicht stellen konnte, doch Charles Beauregard flößte ihm Vertrauen ein. Winthrop fragte sich, wie viel Vertrauen er dem bedauernswerten Captain Eliot Spenser hatte einflößen können.
    Da Winthrop bereits seit einiger Zeit in Frankreich weilte, wusste er, dass er, um nicht zu zittern, nur die Muskeln anzuspannen brauchte. Doch die Erinnerung an Spenser, der ihn mit blutüberströmtem Gesicht anlächelte, raubte ihm jegliche Beherrschung. Seine schmerzenden Wangenmuskeln erschlafften, und er klapperte mit den Zähnen wie eine Marionette.
    Obgleich das Bauernhaus verdunkelt war, ließen schwache Lichtstreifen die Umrisse der Fenster sichtbar werden. Dravot
öffnete den Wagenschlag. Winthrop stieg aus; überfrorener Rasen knirschte unter seinen Sohlen, und feuchter Atemdunst benetzte seinen Schal. Dravot nahm Haltung an. Sein Blick war starr und unerschrocken, und unter seinem Schnurrbart ragten spitze Fangzähne hervor. Kein Wölkchen strömte ihm aus Mund und Nase. Der Sergeant brauchte nicht zu atmen. Er wäre selbst gegen eine Horde wilder Barbaren standhaft geblieben. Falls Dravot persönliche Ansichten und Gefühle hegte, so waren sie unergründlich.
    Eine Tür ging auf. Rauchschwangeres Licht und gedämpftes Stimmengewirr drangen ins Freie.
    »Hallo, Spenser«, rief jemand, »kommen Sie rein und trinken Sie einen Schluck mit uns.«
    Als Winthrop das Quartier betrat, erstarben die Gespräche. Ein Grammophon kam jaulend zum Stillstand und erlöste die »Arme Butterfly« von ihrer Qual. Der niedrige Raum diente als provisorische Messe. Die Piloten spielten Karten, schrieben Briefe oder lasen.
    Ihm wurde mulmig zumute. Rote Augen nahmen ihn ins Visier. Die Soldaten waren ausnahmslos Vampire.
    »Ich bin Lieutenant Winthrop. Ich habe Captain Spenser abgelöst.«
    »Ach nein«, meinte ein finster dreinblickender Bursche in einer hinteren Ecke, »was Sie nicht sagen!«
    Der Mann bekleidete den höchsten Rang im Raum. Major Tom Cundall. Zunächst konnte Winthrop nicht erkennen, ob der Geschwaderkommandeur warmen oder kalten Blutes war. Nach Einbruch der Dunkelheit bekamen die meisten Kriegsteilnehmer diesen raubgierigen, gehetzten Blick, den man gemeinhin mit den Untoten in Verbindung brachte.
    »Ein warmblütiger Kamerad«, bemerkte Cundall und verzog höhnisch den Mund. Ein Vampir. Sein Lächeln hatte ihn verraten.
»Wie ich sehe, bleibt der Diogenes-Club seinen Prinzipien treu.«
    Spenser war ein lebendiger Mensch. Wenigstens war er es noch gewesen, als Winthrop ihn zuletzt gesehen hatte. Gleiches galt für Beauregard. Doch das beruhte nicht auf einem strikten Reglement, sondern verdankte sich einzig und allein dem Zufall. Warmblüter wurden nicht bevorzugt. Im Gegenteil.
    »Hat ein Schlitzohr heimlich ein

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