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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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zugegen; beide trugen erste Garnitur. Churchill, der milchgesichtige Rüstungsminister, hatte seinen
beträchtlichen Wanst unter einem hemdähnlichen Rock versteckt und sich einen amerikanischen Gürtel mit in Holstern steckenden Pistolen um die Hüften geschnallt. Lloyd George, der Kriegsminister, stand am Fenster und kaute auf einer kalten Pfeife. Neben dem Premierminister saß kleinlaut der geheimnisvolle Caleb Croft aus dem Innenministerium, seine blutigen Klauen steckten in wollenen Fäustlingen. Croft befasste sich mit Dingen von unvorstellbarer Grausamkeit.
    Beauregard und Smith-Cumming nahmen inmitten des kleinen Kreises Platz.
    »Sagen Sie«, säuselte Ruthven, »was macht der geheime Krieg?«

3
Nach Mitternacht
    C ourtney zog das Grammophon auf und setzte die Nadel wieder an den Anfang. »Arme Butterfly« war die einzige Platte im Quartier. Winthrop fragte sich, ob den anderen die Arie ebenso unpassend erschien wie ihm. Die Butterfly wartete, doch Pinkerton, das Schwein, kam nicht zurück. Alle drei Minuten schwand die unglückliche Cho-Cho-San dahin, von ihrem Vampir-Liebsten ausgeblutet und verlassen. Winthrop fand die Geschichte seit jeher enervierend, und diese auf wenige Verse eingedampfte Fassung war in höchstem Maße enervierend.
    »Früher hatten wir eine tolle Sammlung«, behauptete Williamson, als Winthrop seinem Unmut über das begrenzte Repertoire Ausdruck verlieh. »La Bohème, Chu Chin Chow, ›Nimm ein rotes Augenpaar‹ …«

    »Bei einem Saufgelage sind sie dann allesamt zu Bruch gegangen«, sagte Bertie.
    »Die Vampyre von Venedig fehlen mir«, meinte Ginger.
    »Aber was für ein grandioses Saufgelage«, schwärmte Courtney. »Das beste Saufgelage aller Zeiten. Die demoiselles spüren ihre Bisswunden noch heute.«
    Die Platte war zu Ende, und das Grammophon begann zischend zu stottern. Courtney hob den Trichter, und die »Arme Butterfly« begann von vorn.
    Die Bridge-Partie hatte sich zerschlagen. Die Piloten lungerten in der Messe herum, ohne ein Wort über Red Albright zu verlieren, und beobachteten Winthrop mit einer Mischung aus Neugier und Argwohn. Er bildete sich ein, dass ihm einige Vampire hungrige Blicke zuwarfen.
    »Ist Ihr Posten hier von Dauer?«, fragte Bigglesworth.
    »Nichts ist von Dauer«, fuhr Courtney dazwischen. »Nicht mal die Unsterblichkeit.«
    »Man hat mir gesagt, ich sei von nun an Ihre einzige Verbindung zum Diogenes-Club, als Ersatz für Captain Spenser.«
    »Wie schön«, sagte Brown, ein sauertöpfischer Kanadier.
    »Dann passen Sie auf Ihren Kopf auf«, riet Williamson.
    »Ich werde mich bemühen.«
    »Der Diogenes-Club ist mir vollkommen rätselhaft«, meinte Courtney. »Ich kann hinter unseren Befehlen beim besten Willen kein System erkennen. Hier eine Straße fotografieren, dort eine Brücke bombardieren, einen Ballon vom Himmel holen, einen stummen Passagier hinter die feindlichen Linien befördern …«
    ›»Fragt nicht die Gründe‹«, zitierte Bertie.
    Courtney brummte mürrisch.
    »Ich weiß auch nicht mehr als Sie«, sagte Winthrop pflichtschuldig. »Geheimdienste sind von Natur aus rätselhaft.«

    »Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir uns hier dummdreist in Gefahr begeben, nur um den Hunnen zu verwirren«, sagte Courtney, »ihm einen komplizierten Streich zu spielen.«
    »Wenn es denn wenigstens komisch wäre«, meinte Williamson.
    Winthrop blickte drei- oder viermal in der Minute auf seine Taschenuhr. Mitternacht schien keine Sekunde näher zu rücken. Er widerstand dem Drang, sich den Zeitmesser ans Ohr zu halten, um sich zu vergewissern, dass er noch tickte.
    Die Schallplatte begann von vorn. Lacey kehrte von seinem Besuch bei »Mademoiselle« im ersten Stock zurück. Der Engländer aus dem Kreis um Bigglesworth wirkte von dem Blut des Mädchens wie beseelt, seine Augen schossen hin und her, und seine spitzen Finger fanden keine Ruhe.
    Allards neuerliches Lachen klang, als würde man mit einer Scherbe einen Knochen schaben.
    »Der erste Name auf der Liste«, grübelte er vor sich hin. »Letzte Woche noch hätte es mich getroffen. Und ich wäre zum Château hinausgeflogen.«
    »Sie haben recht daran getan, sich zu beschweren«, sagte Cundall.
    Allard schwieg. Er wankte in eine Ecke und verschwand im Schatten.
    »Man hatte Allards Namen falsch geschrieben«, erklärte Cundall. »Es fehlte ein L, und so hieß er A-L-A-R-D. Deshalb stand er vor Albright auf der Liste. Er beklagte sich bei Lieutenant-Colonel Raymond, und der erteilte den

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