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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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letztes Mal die Köpfe zusammengesteckt hatten, gingen Charles und Edwin auseinander. Charles kehrte auf direktem Wege in seine Suite im Hotel Transsylvanie zurück. Dravot auf der anderen Straßenseite hingegen schlenderte Lieutenant Winthrop hinterdrein, als unternehme er einen nächtlichen Spaziergang. Kein Zweifel, er war das Werkzeug, das der herrschenden Clique die Kastanien aus dem Feuer holte. Kate war sich nicht sicher, ob der Sergeant sie bemerkt hatte.
    Einer plötzlichen Regung folgend, ließ sie Charles in seine verdiente Herberge zurückkehren und heftete sich an Dravots Fersen. Während der Sergeant Edwin beschattete, beschattete sie
ihn. Ihre Fähigkeiten wurden von neuem auf die Probe gestellt. Auf sprichwörtlichen Samtpfoten flitzte sie von einem finsteren Hauseingang zum nächsten. Sie lauschte den zahllosen Geräuschen der Nacht und konzentrierte sich auf die schweren, unverwechselbaren Schritte des Sergeants.
    Als er aus dem Theater kam, wirkte Edwin fassungslos und aufgebracht, als habe ihn das Gesehene zutiefst verstört. Es hieß, Isolde habe einst ihren ganzen Leib regeneriert, wie ein Salamander, dem der Schwanz nachwächst. Über die Zähigkeit der Abkömmlinge von Draculas Geblüt erzählte man sich ähnliche Geschichten. Angesichts Isoldes bedauernswerter Lage schien es Kate, als sei die völlige Unzerstörbarkeit des Körpers keineswegs ein Garant für ewige Glückseligkeit. Charles hatte ihm Isolde aus guten Gründen vorgeführt. Doch was hatte dieses sich häutende Monstrum mit Mata Hari zu schaffen? Und, Corporal Lantiers Schilderung ihres Geständnisses in Ehren, mit dem Château du Malinbois?
    Da sie gescheiterte Gestaltwandler gesehen hatte, hegte Kate in dieser Richtung keine Ambitionen. Zwar kamen Zähne und Klauen ihr mitunter recht zupass, doch verspürte sie nicht den geringsten Ehrgeiz, ihr Repertoire zu erweitern. Als sie ein warmblütiges Kind gewesen war, hatte ihre Mama sie oft ermahnt, keine Grimassen zu ziehen, denn »wenn der Wind dreht, wirst du auf alle Zeit damit geschlagen bleiben«; nun streunten gar zu viele Pseudo-Werwölfe umher, die »auf alle Zeit damit geschlagen« waren.
    Edwin und Dravot steuerten auf einen von Brandbomben verwüsteten Platz zu. Eine Markthalle stand in Flammen, umringt von eimerschwingenden Löschmannschaften und wenig hilfsbereiten Gaffern. Das gusseiserne Skelett hob sich schwarz gegen die emporschlagenden Lohen ab, ächzte und quietschte in der Hitze. Der beißende Geruch von zerkochtem Gemüse stieg ihr in die
Nase und verätzte ihr empfindliches Organ. Nicht weit von ihr wieherte in panischem Schmerz ein Pferd. Kate sah das Tier mit der Gabel eines Spritzenwagens ringen. Ein Mann mit einer abgetragenen Mütze auf dem Kopf versuchte die hartnäckig das Fell entlangzüngelnden Flammen mit bloßen Händen zu ersticken.
    Dravot blieb stehen und hob den Blick. Kate tat es ihm nach. Die Zeppeline schwebten über ihnen und vergossen ungerührt den Feuertod. Kate hörte Motoren brummen. Französische Flieger waren gestartet, um die Hauptstadt zu verteidigen. Ein Luftschiff konnte höher steigen als alle Flugmaschinen der Alliierten. Geflügelte Schatten kreisten am Himmel. Die Alliierten hielten große Stücke auf ihre vielgerühmte »Luftherrschaft« über die Mittelmächte, doch Dracula und der Kaiser gaben keine Ruhe. Der wahnsinnige Robur kämpfte unbeirrt für den Einsatz seiner »Schlachtschiffe der Lüfte«.
    Die Nägel ihrer rechten Hand wurden erneut zu Klauen und durchstachen ihren wollenen Fäustling. Manchmal spürte ihr Körper die Gefahr bereits, bevor sie etwas davon ahnte. Dravot war verschwunden. Es war an der Zeit, den Rückzug anzutreten. Sie hatte andere Methoden, ihre Geschichte zu verfolgen. Trotz seiner unerschütterlichen Loyalität seinen Dienstherren gegenüber war Dravot ebenso ein Mörder wie die Männer in den Zeppelinen.
    Frank Harris hatte sie gelehrt, dass ein Journalist zuerst und vor allem der Wahrheit verpflichtet sei und nicht dem Patriotismus oder der Propaganda. Leider fand diese Haltung in Kriegszeiten nicht allzu viele Anhänger.
    Eine Mauer stürzte ein, und glühende Ziegel purzelten über das Pflaster und drängten die Gaffer in die Gassen und Nebenstraßen zurück. Ein Schwall heißer Luft fegte über sie hinweg.
    Kate erspähte Dravot hinter einem Flammenvorhang. Zum Glück waren sie durch eine Feuerschranke getrennt.

    »Sie da, Miss Maus, kommen Sie her …«
    Die Stimme gehörte einem

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