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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Europa.

    »Nach Teslas Tod ernannte man mich zur persona non grata, und ich wurde nach Paris beordert. Man besorgte mir eine Wohnung, und ich arbeitete wieder als Tänzerin wie früher. Mabuse, Teslas Nachfolger, befahl mir, so viele Würdenträger zu umgarnen, wie ich nur konnte.«
     
    Der Frau wurde zur Last gelegt, General Mireau, einem weiteren Verfechter der Drummond’schen Methode zum Massenselbstmord, die Pläne für eine Offensive der Franzosen entlockt zu haben. Aufgrund dieser Anklage sollte sie hingerichtet werden.
     
    »In Wahrheit wurde ich aufgehalten, so dass ich die Nachricht erst wenige Minuten vor dem Angriff weitergeben konnte. Falls mein Bericht das deutsche Oberkommando überhaupt erreicht hat, haben diese Narren vor lauter Freude über die Verluste der Franzosen wahrscheinlich nichts davon bemerkt. Mireaus kolossaler Plan bestand darin, bei Morgengrauen zu attackieren. Das war alles. Er befahl ein zwanzigminütiges Bombardement, um den Stacheldraht zu beseitigen und die deutschen Kanoniere aus dem Schlaf zu reißen, bevor er sich mit einer Flasche Cognac im sicheren Stabsquartier zum Frühstück niedersetzte, während hunderttausend tapfere poilus aus den Schützengräben kletterten, um von geballtem Mörser- und MG-Feuer in Stücke gerissen zu werden.
    Ich bin nur eine Hure, die in der Kriegskunst ebenso bewandert ist wie eine Gans, aber selbst mir blieb nicht verborgen, dass dieser Plan leicht zu durchschauen war. Bei Morgengrauen attackieren, ich bitte Sie! Warum nicht ein markierter Scheinangriff, um den Feind aus der Reserve zu locken und seine Batterien auszukundschaften, dann gezieltes Bombardement, um die Abwehrstellungen auszuradieren, und dann der große Vernichtungsschlag? Ist es nicht sonderbar, dass selbst ich einen vernünftigeren
Plan aushecken kann als der sagenhafte General Mireau? Wen wundert’s, dass der Esel stur auf meiner Hinrichtung beharrt (bei Morgengrauen, versteht sich), aus Angst, Hindenburg könne meine Dienste als Strategin in Anspruch nehmen. Andererseits habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass Deutschland über ein Heer von Abc-Schützen verfügt, die Schlachtpläne entwerfen könnten, durch die der gute General mit Leichtigkeit zu täuschen und zu übertölpeln wäre.«
     
    Demselben Gedanken hatte Kate Reed bereits in ihren Artikeln über die affaire Mireau Ausdruck verliehen.
    »Immer feste drauf«, rief Drummond, »bei Morgengrauen! Lasst uns die Kerls mit kaltem Silber munter machen!«
    Dieser Krieg wurde von wild gewordenen Idioten geführt.
     
    »Charles, Sie haben mich nach dem Château du Malinbois gefragt. Nun gut. Es ist das derzeitige Hauptquartier des ersten Jagdgeschwaders, das vom Baron von Richthofen befehligt wird. Die Zeitungen sind voll von seinen Heldentaten. Wegen ihrer ungeheuren Wendigkeit wird die Einheit auch ›Fliegender Zirkus‹ genannt. Die Burschen haben den Kniff raus, alles im Nu auf einen Zug zu laden und zu einer neuen Stellung zu verbringen. Bei Kriegsbeginn widersetzte sich der Baron dem Befehl, sein Flugzeug en Camouflage zu streichen, und bestand darauf, dass die Maschine grellrot anzumalen sei. Wie Ihnen jedermann, der schon einmal versucht hat, einen roten Ball auf einer grünen Wiese ausfindig zu machen, bestätigen wird, passt sich die Farbe Rot erstaunlich gut in die Landschaft ein. Und nachts ist rot - sogar für Vampiraugen - schwarz. Sie werden überrascht sein, doch Deutschlands himmlische Helden sind bei ihren im Schlamm kriechenden Kameraden nicht allzu beliebt. Die Presse wird nicht müde, die fliegerischen Kraftakte von Richthofens Zirkus in die
Welt hinauszuplärren, während das Geschwader bei den Bodentruppen und selbst bei den Piloten anderer Staffeln nur als ›das fliegende Monstrositätenkabinett‹ bekannt ist. Eine durchaus passende Bezeichnung, wie ich finde. Malinbois ist überdies ein Forschungszentrum, unter dem Direktorat von Professor ten Brincken. Aus meinen Nächten als Braut Draculas entsinne ich mich dieses Mannes nur als eines demütigen Bittstellers bei Hofe. Der Palast wimmelte von Spinnern jeglicher Couleur. Der Graf ist ein fanatischer Bewunderer des Modernen und von Zügen und Flugmaschinen geblendet wie ein kleiner Junge, und so lud er den Professor, eines von unzähligen Genies, zur Privataudienz. Dort sah ich ihn, einen heldenhaften, warmblütigen Rohling, mit finsterem Blick vor Draculas Amtsstube auf und ab stolzieren. Soviel ich wusste, war er kein Erfinder, sondern

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