Die Vampire
war nicht gespielt. Sie hatte ihn verwirrt. Und das war gut so. Denn wenn er verwirrt war, war er auch interessiert. Während er versuchte, ihr Geheimnis zu ergründen, hoffte sie mehr über ihn zu erfahren.
»Verfolgen Sie einen armen General? Um den Ruf eines weiteren verdienten Soldaten in den Schmutz zu ziehen?«
»Im Gegenteil. Ich verfasse eine Lobrede auf die Standhaftigkeit unserer tapferen Offiziere.«
Er setzte sich ihr gegenüber. Die Männer an Private Bartletts Tisch machten hämische Bemerkungen.
»Pass auf, Sportsfreund«, rief Bartlett. »Sie beißt.«
»Sie haben sich eine claque zugelegt?«
Kate rümpfte die Nase.
»Sie erröten. Das bringt Ihre Sommersprossen zur Geltung.«
Das Bombardement kam ihr erstaunlich regelmäßig vor, bis sie bemerkte, dass sie Edwins Herzschlag lauschte und sich von seinem kräftigen Puls hatte einlullen lassen. Ihr Glas war leer.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bestellen, Kate?«
»Nein, danke. Ich habe keinen Durst.«
»Ich dachte, Sie hätten immer Durst.«
Es ging ihr wie ein Stich durchs Herz. Sie hätte gern etwas getrunken, nur leider nicht das, was Edwin ihr bestellen würde.
»Auch mein Kollege Charles Beauregard spricht in den höchsten Tönen von Ihnen. Wobei er mich daran erinnerte, dass Sie alt genug sind, um meine Mutter zu sein.«
»Ich bin kaum der Wiege entwachsen«, wiegelte sie ab.
Er würde sie fragen, wie es war. Früher oder später taten das alle jungen Männer. Eigentlich waren es zwei Fragen: Wie ist es, ein Vampir zu sein, und wie ist es, von einem Vampir gebissen zu werden?
Der patron trat an ihren Tisch. Edwin bestellte Brandy und gab ihr Gelegenheit, sein Angebot zu überdenken.
»Danke für Backobst«, sagte sie, wie ein albernes Gör in einem Pariser Straßencafé. Edwin hatte diesen Ausdruck noch nie gehört. Dann besann sie sich eines Besseren und bestellte einen zweiten anis mit Blut.
Nach dem ersten Schluck aus seinem Glas sah er sie an und sagte: »Kate …«
»›Wie ist das eigentlich?‹»
Sein Erstaunen verriet ihr, dass er von ihren übernatürlichen
Kräften überzeugt war. Sie war belustigt und auch ein wenig siegesfreudig.
»Das ist schwer zu erklären. Man muss es selbst erleben, wie die Liebe und den Krieg.«
Edwin dachte über ihre Antwort nach und sah ihr direkt ins Gesicht. Ihre getönte Brille bot keinen Schutz vor seinem Blick.
»Sie verfolgen mich, Kate Reed. Ich weiß zwar nicht, zu welchem Zweck, aber Sie verfolgen mich.«
Sie zuckte die Achseln. »Haben Sie eine Liebste zu Hause?«
Er wog das Für und Wider sorgsam ab und nickte. »Catriona Kaye. Wir sind verlobt. Sie ist sehr modern.«
»Im Gegensatz zu mir, einem verstaubten Relikt aus grauer Vorzeit.«
»Sie ist so alt wie das Jahrhundert. Ich nenne sie Cat.«
»Dann will auch ich sie eine Katze nennen.«
Der beißende Geruch von Edwins Brandy stach ihr in die Nase. Der anis -Geschmack auf ihrer Zunge konnte ihr Gefühl für ihn nicht dämpfen.
»Möchte Ihre Verlobte, dass Sie sich verwandeln?«
»Über dieses Thema haben wir noch nicht gesprochen.«
»Es wird Ihnen kaum etwas anderes übrigbleiben.«
»Mein warmes Blut ist mir sehr lieb.«
»Kein dummer Gedanke.«
»Dann sind Sie also keine bekehrungssüchtige Verfechterin des Untoten-Daseins?«
Edwins Atem kräuselte sich in der Luft. Es war ein kühler Februarabend. Die Warmblüter trugen Schal und Handschuhe.
»Danke für Backobst.«
»Wie bitte?«
»Ich habe als Einzige meiner Fangschwestern überlebt. Das Untoten-Dasein ist eine heikle Sache, gänzlich unberechenbar. Dreißig Jahre sind vergangen, und noch immer steht die Ärzteschaft
vor einem Rätsel. Wer sich verwandelt, setzt all seine Stärken aufs Spiel. Die meisten Neugeborenen sterben auf garstige, unschöne Weise.«
Sie hatte keinen Zweifel, dass Edwin sich prächtig verwandeln würde. Obgleich er warmen Blutes war, besaß er den Scharfsinn eines Vampirs.
»Catriona. Das ist mein Name auf Schottisch. Katherine. Sind wir uns ähnlich?«
Die Frage überraschte ihn.
»Sie müssen etwas gemeinsam haben. Sie möchte Journalistin werden.«
»Werden Sie ihr denn erlauben, einen Beruf zu ergreifen?«
»Ich bestehe sogar darauf. Ihr Vater ist da anderer Ansicht. Er ist Geistlicher, sie Agnostikerin. Sie zanken sich in einem fort.«
Zu ihrem Verdruss empfand Kate Sympathie für Edwins unbequeme Liebschaft. Catriona Kaye war allem Anschein nach eine exakte Kopie ihres jüngeren, warmblütigen Ichs. Nur
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