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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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schaffen lassen, als ihn in dieses Loch hinunterzubringen.«

14
Kate und Edwin
    G egenüber dem Wing-Hauptquartier in Amiens befand sich ein kleines Café, wo Kate auf ihre Beute wartete. Zufällig gab es gegenüber jedem Gebäude von militärischer Bedeutung in Frankreich solch ein kleines Café. Und Kate kannte sie alle.
    Sie trank anis mit einem Spritzer Tierblut von ungewisser Herkunft und beobachtete das Kommen und Gehen auf der anderen Straßenseite. Es herrschte hektische Betriebsamkeit; nach Einbruch der Dunkelheit war im Wing noch regerer Andrang zu verzeichnen als am Nachmittag. Das Hauptquartier war ein massiver Bau, ein zweckentfremdetes Amtsgebäude.
    Die Spur hatte sie hierhergeführt.
    »Bone jaw, mamsel«, sagte ein Amerikaner. »Je m’apple Eddie Bartlett. Private, First-Class.«
    Sie blickte den Infanteristen über den Rand ihrer blau getönten Brille hinweg an. Der kleine, grinsende, unglaublich junge Warmblüter rechnete offenbar mit einem überschwänglichen Empfang. Die Erkenntlichkeit der Mesdemoiselles war ein nicht zu unterschätzender Anreiz für die amerikanischen Rekruten.
    »Jungejunge, Mr. Yank, Ihr parley-voo ist nicht von schlechten Eltern.«
    Private Bartlett war enttäuscht. Wahrscheinlich übte er dieses Sprüchlein schon, seit sein Truppentransporter den Hafen von
New York verlassen hatte. Seine Kameraden brüllten vor Lachen. Sie lächelte, und ihre Fangzähne lugten hervor. Bartlett stotterte eine Entschuldigung und kehrte an den Tisch seiner Freunde zurück. Sie hoffte, er möge eine willige Französin treffen, bevor ihn eine Kugel traf. Er sah eigentlich recht nett aus, und sie bereute ihre kühle Abweisung. Es kam nicht oft vor, dass man sie für eine verlockende französische Sirene hielt. Sie mochte den Geschmack von Amerikanern. Auch Mr. Frank Harris war Amerikaner gewesen, ein früherer Cowboy. Da sie historisch unbelastet waren, war ihrem Blut eine gewisse Leichtigkeit zu eigen.
    Sie verspürte quälenden Durst. Anis mit Blut tat wenig mehr, als ihren Appetit zu reizen. Bisweilen vergaß sie über ihren Kreuzzügen, ihre Bedürfnisse zu stillen. Sie ließ die Zunge über ihre spitzen Zähne gleiten. Die Front war so nah, dass ganz Amiens in einem fort zu beben schien. Der Inhalt ihres Glases drohte überzuschwappen, und sie spürte jeden Bombeneinschlag bis ins Mark.
    Edwin Winthrop kam aus dem Wing-Quartier geschlendert und blieb auf der Treppe stehen, um den Gruß eines staubbedeckten Sergeants zu erwidern. Kate tat, als habe sie ihn nicht bemerkt, obgleich sie mit Bedacht einen Platz gewählt hatte, an dem Edwin sie sofort entdecken musste. Sie hielt diese Vorgehensweise für subtiler als ihre vergeblichen Versuche, sich vor ihm zu verstecken. Von seinem eigenen Scharfsinn geblendet, würde ihm, in einem Anfall männlichen Stolzes, vielleicht ein Lapsus unterlaufen, und er würde sich verplappern. Einen Augenblick lang glaubte sie, er werde ihre Anwesenheit in seinem Bericht an Charles vermerken und dann weiter seinen Geschäften nachgehen. Also versuchte sie ihn telepathisch zu bezaubern. Das war, zumindest was ihr Geblüt betraf, kompletter Unsinn, aber es konnte immerhin nicht schaden.
    Edwin fasste einen Entschluss. Er überquerte die Straße, wobei
er einem Kradmelder auswich, und steuerte auf sie zu. Sie verzog keine Miene und unterdrückte ein blasiertes, siegesgewisses Lächeln.
    »Miss Maus, nicht wahr?«
    Sie machte sich einen Spaß daraus, so zu tun, als habe sie ihn gerade erst bemerkt.
    »Guten Abend, Edwin. Wo haben Sie denn Ihren Wachhund gelassen?«
    Er blickte sich um. Dravot war nirgends zu sehen. Selbst Edwin wusste mitunter nicht, ob sein Beschützer in der Nähe war.
    »Vermutlich hat sich der Sergeant in einem nahe gelegenen Heuhaufen versteckt. Verkleidet, natürlich.«
    »Das sollte mich nicht wundern.«
    »Wie ich höre, sind Sie und er alte Freunde.«
    Kate dachte an die Zeit des Schreckens. Es kursierten Geschichten über Daniel Dravots Rolle in Belangen von allergrößter Wichtigkeit. Geschichten, die sie nie auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft hatte. Der Sergeant stand auf der rechten Seite, zögerte jedoch keine Sekunde, sich die Finger schmutzig zu machen, wenn es darum ging, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
    »Ich habe außerdem gehört, dass Sie keineswegs so dumm sind, wie Sie scheinen.«
    Sie überspielte ihren Ärger mit einem glockenhellen Lachen. »Niemand könnte so dumm sein, wie ich scheine, nicht wahr?«
    Edwins Lachen

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