Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
gefunden hatte, der er seinen Ruhm verdankte. Poe hielt nichts als die nackten Tatsachen in Händen, die er ebenso gut den offiziellen Unterlagen hätte entnehmen können, sowie ein paar winzige Einblicke in Richthofens Biografie, die auf ein wunderliches Menschenschicksal deuteten. Aus dem Leben des Barons ließe sich eine treffliche Tragödie machen. Doch Dr. Mabuse hatte ein ganz anderes Buch im Sinn.
    »Sie haben vom Sterben gesprochen, Herr Poe. Wie ich bereits sagte, bin ich niemals wirklich tot gewesen. Aber rückblickend habe ich den Eindruck, dass ich nicht in dem Moment wirklich geboren wurde, als ich den Mutterleib verließ oder Perles Vampirblut trank, sondern als ich meinen ersten Sieg errang. Das war als Beobachter. Ich schoss einen Franzosen ab.«
    Poe sah auf die Trophäen.
    »Nach diesem Pokal werden Sie vergeblich suchen. Das Flugzeug ging auf der falschen Seite der Linien nieder. Der Abschuss wurde nicht bestätigt.«
    »Macht Ihnen das zu schaffen?«
    Richthofen zuckte die Achseln. »Ich sage immer: Ehre, wem Ehre gebührt. Schließlich ist ein Offizier ein Mann von Wort.«
    »Weshalb sind Sie Pilot geworden?«
    »Um unabhängig zu sein. Mir gingen immer wieder Abschüsse durch die Lappen, weil mein Pilot zu ungeschickt war, um mich in eine günstige Schussposition zu bringen.«
    Zu Beginn des Krieges waren die - für die Bordgeschütze verantwortlichen - Beobachter die eigentlichen Jäger gewesen. Piloten
bekleideten den Rang eines Chauffeurs oder Treibers. Erst nachdem Boelcke seine berühmten Dikta niedergelegt hatte, fand die Kunst des Luftkriegers allgemeine Anerkennung.
    »Der Traum vom Fliegen ist so alt wie die Menschheit.«
    Richthofen zeigte sich wiederum unbeeindruckt. »Wie ich, glaube ich, bereits bemerkte, pflege ich nicht zu träumen.«
    »Für einen Mann, der mit dem Wunderbaren auf so vertrautem Fuße steht, machen Sie einen erstaunlich besonnenen Eindruck.«
    Der Baron wusste keine Antwort.
    »Die Welt, in die Sie hineingeboren wurden, hat sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Erst Dracula. Dann der Krieg …«
    »Ich habe keinen Einfluss auf den Lauf der Welt. Ich habe nur mich selbst. Und ich habe mich nicht verändert. Im Gegenteil. Ich bin meinem wahren Ich sogar noch näher gekommen.«

28
Der Mond ist aufgegangen
    S ie sind ein Engel, Miss Reed«, sagte Dr. Arrowsmith, während er mit sanftem Druck die Handpumpe betätigte. »Ich wollte, wir hätten Dutzende von Ihrer Sorte.«
    Sie war benommen, als falle sie in Vampirschlaf. Die Hohlnadel in ihrer Armbeuge war eine eisige Zecke. Ein grauer Nebelschleier trübte ihren Blick, und sie hatte schwarze Flecken vor den Augen. Sie hatte kein Gefühl mehr in den Zehen, und ihre Finger kribbelten. Ihr Blut schoss durch einen Gummischlauch, füllte die Ventile der pulsierenden Pumpe und verschwand durch einen zweiten Schlauch im Arm des Patienten.

    Spendervampire wurden im Militärhospital von Amiens hoch geschätzt. Die stärkende Wirkung ihres Blutes war beachtlich.
    Arrowsmith, ein warmblütiger Amerikaner, dessen vorzeitig gealtertes Gesicht von Sorgenfalten gezeichnet war, strich Kate sanft übers Haar. Obgleich er sich nichts anmerken ließ, konnte ihm ihr Frösteln unmöglich entgangen sein.
    »Wir haben Sie genug geschröpft«, sagte er und ließ die Pumpe ruhen. »Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.«
    Kate wollte ihm sagen, er solle weitermachen. Sie war ja noch nicht einmal bewusstlos. Ihr Körper konnte das Blut binnen einer Stunde regenerieren, insbesondere wenn sie frische Nahrung zu sich nahm.
    Der Patient auf der anderen Liege - ein amerikanischer Captain namens Jake Barnes - war, wie eine Mumie, von Kopf bis Fuß mit Binden umwickelt, bis auf einen Zoll entblößter Haut, in der eine Transfusionsnadel steckte. Barnes war ein Neugeborener, dessen regenerative Fähigkeiten noch nicht weit genug entwickelt waren, um die Wunden heilen zu lassen, die er erlitten hatte. Während eines Bombenangriffs war er im Drahtverhau stecken geblieben und in einen Hagel von Blei- und Silberkugeln geraten. Es war kaum noch etwas von ihm übrig.
    Ihr Blutstrom verband sich mit dem seinen und quälte sie mit Momentaufnahmen aus seinem Leben. Sie spürte das Brennen der Silberkugeln in den Eingeweiden, eine ganze lange Nacht hindurch. Erst nach Stunden hatten seine Kameraden ihn geborgen. Die Hoffnungslosigkeit hatte ihm den Verstand geraubt. Seine Verzweiflung durchströmte ihren Körper wie ein Gift.
    Arrowsmith zog

Weitere Kostenlose Bücher