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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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verweigert? Hat er Ihnen ein Interview verwehrt?«
    »Nein, aber … wie Sie bereits sagten, er ist hohl und leer. Da ist beim besten Willen nichts zu holen.«
    Immer wenn er vor einem weißen Blatt Papier saß, blickte Poe in die graublauen Augen des Barons.
    »Sie sind doch angeblich berühmt für Ihre Fantasie. Wo es nichts zu holen gibt, müssen Sie eben etwas erfinden.«
    Dieser Auftrag wurde allmählich zur Plage. Wunder und Mirakel waren in unerreichbare Ferne gerückt.
    »Richthofen ist ein seelenloser Mensch, wenn Sie so wollen«, meinte Poe. »Seine Zurückhaltung hindert mich am Fortkommen.«
    »Ich werde Karnstein davon unterrichten. Er wird Richthofen befehlen, Ihnen Rede und Antwort zu stehen.«
    »Ich bezweifle, dass Befehle etwas nützen werden. Das Problem ist nicht, dass mir der Baron nicht helfen will, sondern dass er mir nicht helfen kann. Das Denken liegt ihm nicht. Ich habe das Gefühl, dass er die dunklen Seiten seiner Existenz verdrängt hat. Anders hätte er vermutlich gar nicht überleben können. Er leidet unter der unausgesprochenen Angst, dass er abstürzen wird, wenn er nach unten blickt …«
    »Das ist doch küchenpsychologisches Gefasel, Poe. Der Mann ist ein Held. Jeder Held hat eine Geschichte. Sie müssen Sie nur finden.«
    Ewers richtete sich zu voller Größe auf, um auf Poe herabzublicken. Beim Hinausgehen stieß er sich den Kopf am Türsturz.

    Da Poe inzwischen zum festen Inventar des Schlosses gehörte, konnte er sich unbemerkt unter die Flieger mischen, die in der Halle ihren Tag verbrachten. Vielleicht würde er von seinen Kameraden etwas über das Leben des Barons erfahren. Bestimmt kannte jeder von ihnen Anekdoten, die seiner Geschichte etwas Farbe gaben.
    »Als Registrator muss ich gegen mich selbst besonders streng sein«, erklärte Hermann Göring. »Mein Sieg ist zwar bestätigt worden, aber ich darf keinen Abschuss für mich reklamieren. Ball ist nicht beim Absturz umgekommen, sondern erst bei Morgengrauen gestorben. Was die Einzelheiten angeht, halten die Briten sich bedeckt. Wie es scheint, war er verwundet. Die Sonne hat ihm den Rest gegeben.«
    »Eigentlich habe ich ein Anrecht auf den Abschuss«, forderte Lothar von Richthofen. »Wenn ich ihn damals nicht zum Krüppel geschossen hätte, wäre er bei Sonnenaufgang längst in Sicherheit gewesen.«
    »Seid doch froh, dass Ball hinüber ist«, sagte Erich von Stalhein. »Er war ein gefährlicher Bursche. Ohne ihn ist es am Himmel sicherer.«
    Poe hielt es für unvorstellbar, dass diesen Wesen am Himmel überhaupt etwas gefährlich werden konnte. In ihrer verwandelten Gestalt waren sie die unangefochtenen Herrscher des Urwalds der Lüfte.
    »Ich fürchte, dein Abschuss ist auch noch nicht bestätigt worden«, wandte sich Göring an Stalhein. »Die Snipe haben wir entdeckt, aber der Leichnam des Piloten war nicht aufzufinden.«
    »Bigglesworth ist ohne seine Maschine abgestürzt. Es freut mich, dass unsere Schuld endlich beglichen ist.«
    Auf beiden Seiten entschied die Anzahl der gewonnenen Luftgefechte über Rangfolge und Ansehen der Piloten. Obwohl sich manche Flieger betont gleichgültig gaben, richteten sich aller Augen
auf Görings Schiefertafel mit der Tabelle ihrer Kämpfe, Abschüsse und Siege. Die Bilanzen der Flieger des JG1 waren beachtlich, wenngleich keiner von ihnen auch nur annähernd so viele Silberpokale errungen hatte wie der Baron.
    »Manfred war erneut erfolgreich«, verkündete Göring, was niemanden erstaunte. »Ein nützlicher Sieg. Captain Courtney.«
    »Was ist mit dem Beobachter?«, fragte Theo von Kretschmar-Schuldorff.
    »Die Briten haben ihn nicht als vermisst gemeldet.«
    Der Geheimdienstoffizier war beunruhigt. Aus Theos Sicht hatte der Hahnenkampf nur stattgefunden, um zu verhindern, dass den Alliierten geheime Informationen in die Hände fielen.
    »Er kann das Niemandsland unmöglich überlebt haben. Er muss tot sein. Wie Albert Ball.«
    »Da kennst du die Briten aber schlecht, mein lieber Hermann. Der Anstand erlaubt es ihnen nicht zu lügen, deshalb enthalten sie uns gewisse Dinge vor. Wer war dieser Beobachter?«
    Göring zuckte die Achseln. »Da er nicht als vermisst gemeldet wurde, ist sein Name nirgends verzeichnet.«
    »Wenn er entwischt ist, wissen die Briten alles über euch.«
    »Niemand weiß alles über uns«, bemerkte Lothar.
    Theo zog nervös an seiner Zigarette und dachte nach. »Da sie ihn nicht als Überlebenden gemeldet haben, möchten die Briten uns womöglich

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