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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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davon.
    Sie hätte mit Freuden weiter Blut gespendet, doch Arrowsmith hatte es ihr verboten. Sie wollte nicht alleingelassen werden, mit sich und ihren Gedanken. Sie wollte sich nützlich machen.
    Neben Barnes’ mumifizierter Gestalt saß Lieutenant Chatterley, der Kates Blut bereits am Vorabend bekommen hatte. Auch er war ein seltener Fall von Heimatschuss: Seine untere Körperhälfte fehlte. Obgleich frische Knochentriebe aus den Stümpfen seiner Beine sprossen, waren sie tot. Zwar würde sein Körper peu à peu nachwachsen, doch würde er ihn nie wieder gebrauchen können. Er suchte in den mondhellen Fensterscheiben des Wintergartens nach seinem nicht vorhandenen Spiegelbild.
    »Guten Abend, Clifford«, begrüßte sie den Engländer.
    Er sah sie fragend an. »Kennen wir uns? Waren Sie eine der Schwestern?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ein nervöses Zucken zerrte an Chatterleys Mundwinkel. »Dann sind Sie … die Älteste?«
    »Ich? Eine Älteste? Mitnichten. Wäre ich am Leben geblieben, wäre ich jetzt vermutlich noch nicht einmal tot.«
    Chatterley würde ihr sein Leben und seine toten Beine nicht danken. Wie Barnes war er von Bitterkeit erfüllt. Er wandte sich
ab und kehrte das Gesicht dem Mond zu. Bruchstücke seiner Erinnerungen spukten ihr im Kopf herum. Von Barnes hatte sie nur Eindrücke aus jüngster Zeit erhalten, von seiner Verwandlung und Paris. Chatterley hingegen hatte ihr lebhafte Bilder hinterlassen; ein Förderturm, der sich über einem kleinen Wald erhob, ein prächtiges Landhaus und riesige Felder.
    Kate war so müde, dass sie seine Ablehnung kaum wahrnahm. Sie konnte es niemandem recht machen.
    Eine hübsche, warmblütige Krankenschwester schwirrte um Barnes und Chatterley herum. Keiner der beiden zeigte Interesse.
    »Wir haben Ihnen eine Katze besorgt«, wandte die Schwester sich an Kate.
    Kate war zu erschöpft, um Dankbarkeit zu heucheln. Eine Katze würde ihren roten Durst zwar lindern, aber nicht löschen. Andererseits führte eine Katze ein Leben ohne Schmerz und Leid. Sie würde trinken können, ohne Höllenqualen zu schmecken.
    »Danke.«
    »Gern geschehen, Miss.«
    Die Schwester machte einen kleinen, aber tadellosen Knicks. Bestimmt war sie in Friedenszeiten Dienstmädchen gewesen. Kate sah die verheilten Bisswunden an ihrem Hals.
    Vor ihrer Verwandlung hatte Kate nur Mr. Frank Harris je gestattet, sich von ihr zu nähren, und daran war sie gestorben. Was sie anging, so hatte sie damals den dunklen Kuss empfangen und Harris nicht allein als Speis und Trank gedient. Nun glaubte sie, sich ebenso zu fühlen wie die kleine Krankenschwester, wenn ihre Vampirliebhaber sie zur Ader ließen. Ausgedörrt und leer.
    »Besuch für Sie, Miss …«
    Kate war in Wachträumen versunken. Im dichten Nebel der achtziger Jahre, wo sie Karpatischen Gardisten eine lange Nase zeigte und Flugblätter verteilte …

    Sie bewegte sich wie ein altes Weib, mit morschen Knochen und steifen Gliedern. Da sie sich nicht umdrehen konnte, sah sie nur ein schemenhaftes Spiegelbild in den mondhellen Fensterscheiben. Neben der Schwester stand ein Mann in Uniform, der sich auf eine Krücke stützte.
    Die Schwester wendete den Rollstuhl. Der Besucher trat ins fahle Licht. Sein Anblick ging ihr wie ein Silberstich durchs Herz.
    »Miss Maus«, sagte Edwin, »Sie machen ein Gesicht, als ob Sie ein Gespenst gesehen hätten.«

29
Der Flug des Falken
    G ewäsch«, schimpfte Ewers und tippte auf den Aktendeckel mit Notizen. »Nichts als hohles, leeres Gewäsch.«
    Man hatte ihm auf Malinbois ein Zimmer zur Verfügung gestellt, einen winzigen, aus Granit gehauenen Würfel. Er hatte Schreibtisch und Stuhl, Bleistift und Papier bekommen. Jeden Abend musste er ein Antragsformular ausfüllen und einen abgebrannten Stummel vorweisen, ehe ihm eine frische Kerze ausgehändigt wurde.
    Poe saß mit gelöstem Kragen. Ewers stand mit gesenktem Kopf im Schatten der niedrigen Decke.
    »Ich hatte mir ein erstes Kapitel erhofft«, sagte Ewers naserümpfend, »und einen Entwurf zu dem gesamten Buch.«
    Poe hatte sich weitaus mehr erhofft. Eigentlich hätte der schmale Band, den Dr. Mabuse von ihm haben wollte, bereits zur Hälfte vorliegen müssen.
    »Hatten Sie Gelegenheit, sich mit dem Baron zu unterhalten?«
Die Frage überraschte Ewers. Da ihm die Flieger Angst einflößten, ging er ihnen aus dem Weg.
    »Er ist nicht sehr gesprächig«, sagte Poe.
    Ewers konnte seinen Zorn nur mit Mühe unterdrücken.
    »Hat Ihnen Richthofen die Mithilfe

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