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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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zahlreichen Eigenschaften ihres Geblüts gehörte auch eine leichte Veranlagung zum psychischen Vampirismus, der Fähigkeit, Energie zu schröpfen, ohne Blut zu trinken. Sämtliche Bekannten von Frank Harris hatten ihn, lange vor seiner Verwandlung, für einen ermüdenden Gesellen gehalten.
    »Edwin, ich möchte keineswegs impertinent erscheinen, aber Sie sind mit einer Frau allein in Ihrem Zimmer.«
    Er wich ihrem Blick aus.
    »Ich dachte, Sie seien verlobt?«
    Auf dem winzigen Nachttisch lag ein nach unten gekehrter Bilderrahmen mit einer Armbanduhr darauf.
    »Für Catriona bin ich tot. Der Krieg hat uns in lebende Tote verwandelt. Und das werden wir auch bleiben, bis er zu Ende ist.«

    Ohne ihre Hände loszulassen, stand er auf und setzte sich neben sie. Sie hörte das mächtige Schlagen seines Herzens. Ihr schwindelte der Kopf, und sie musste daran denken, wie sie dem Zauber ihres Fangvaters erlegen war. Die Küsse von Frank Harris waren süßsauer. Ein neuer Geschmack verdrängte die Erinnerung.
    Edwin küsste sie schüchtern und nahm ihr die Brille ab. Sie entwand sie seinen Fingern, legte sie neben seine Uhr und glitt mit den Nägeln über die Rückseite des Passepartouts der unsichtbaren Fotografie. Sein großes Auge war ganz nah, ein verschwommener, feucht glänzender Fleck. Edwin presste den Mund auf ihre Lippen.
    Ohne dass ein Tropfen Blut vergossen wurde, trank jeder aus dem Mund des anderen. Seine Zielbewusstheit traf sie wie ein Windstoß ins Gesicht und fuhr ihr durch das Haar.
    Ein Teil von ihr floss in ihn zurück. Es war, als ob ein Stromstoß sie durchzuckte. Mit einem Hauch von Schuldbewusstsein sah sie das Bild eines Mädchens vor sich, das sie für Catriona hielt. Eine große, grauäugige Grazie mit weißem Kleid und Strohhut auf dem Kopf. Das Bild verblasste. Ein glühender Pfeil traf sie ins Herz. Ihre Vampirkraft kehrte zurück, und sie schloss Edwin so fest in die Arme, dass er kaum noch Luft bekam.
    Sie lösten sich voneinander und entledigten sich ihrer Kleider. In den vergangenen dreißig Jahren hatte sich die Mode Gott sei Dank geändert. In ihren warmblütigen Tagen war das Ausziehen - selbst wenn man seine ganze Konzentration auf diese leidige Pflicht verwandte - ebenso kompliziert gewesen wie das Zerlegen eines Gewehrs.
    Edwins nackter Körper sah aus wie eine Karte: Ozeane aus blasser Haut, Kontinente aus bläulich-schwarzen Flecken, Atolle aus Schwielen, Inseln aus Striemen, begrenzt von rot glänzenden Narben. Ein Weltreich der Blessuren. Als sie seine Wundmale mit Zunge und Fingerspitzen berührte, schauderte er.

    Er streichelte ihre Schultern, ihre Brüste, ihren Bauch, bedeckte sie mit Küssen. Seine Schnurrbartspitzen kitzelten. Zwar waren die winzigen, von Kinderspielen oder Fahrradstürzen herrührenden Wunden ihrer warmblütigen Tage schon bald nach ihrer Verwandlung verschwunden, doch war sie immer noch mit Sommersprossen gesprenkelt wie ein Ei.
    Unbeholfen rutschten sie auf der Matratze hin und her, bis sie schließlich nebeneinanderlagen. Kate kauerte mit dem Rücken zur Wand, und Edwins Hüfte ruhte auf der Bettkante. Sie rückten immer näher zusammen. Sie spürte seine Wärme vom Scheitel bis zur Sohle. Ihr Herz lechzte nach seinem Blut.
    Sie unterdrückte ihren triebhaften Instinkt und umfasste mit sanften Fingern sein Geschlecht. Die Hitze seines drängenden Blutes pulsierte in ihrer Hand. Plötzlich schob er sich auf sie und drang unvermittelt in sie ein. Sie streckte die Arme über den Kopf und umklammerte das Bettgestell. Obgleich sie die Lider geschlossen hielt, hatte sie die Bilder, die Edwins Erinnerung entsprangen, deutlich vor Augen. Gesichter und Befürchtungen.
    Ihre Erregung wuchs. Ihre Fingernägel wurden zu Klauen, die sich um die Messingpfosten krümmten. Ihre Hauer sprossen aus den Kieferscheiden und pressten ihre Lippen auseinander. Sämtliche Zähne waren nadelspitz. Es war nicht ungefährlich, sie zu küssen.
    »Vorsichtig«, sagte sie.
    Ihre Zungenspitzen berührten sich flüchtig. Ihre Arme schienen sich in Flügel zu verwandeln, von kühlen Luftströmen getragen. Ein tiefer Abgrund tat sich unter ihnen auf, doch sie segelten sicher dahin. Ein Tropfen seines Blutes hätte genügt, um ihr Gehirn zur Explosion zu bringen. Sie wäre in einem Feuerball zur Erde gestürzt. Sie versuchte den Mund zu schließen, und unterdrückte einen Schrei.
    Edwin nahm ihr rechtes Handgelenk und löste ihre Finger
vom Kopfende des Bettes. Ihre Klauen kreischten

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