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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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hatte. Eindrücke aus ihrem langen Leben trieben durch sein Gedächtnis. Der eiskalte Palast, in dem sie geboren worden war, mit seinen schmutzigen Fußböden und kostbaren Wandteppichen. Er spürte den Mund ihres Fangvaters an ihrer Kehle und seine Hände unter ihren Röcken - der Methusalem hatte im Auftrag der Vajdas gehandelt, damit das Geschlecht erhalten blieb. Er teilte die Panik einer Flucht aus der Heimat: wütender Mob um die Kutsche herum, Fackeln, orthodoxe Priester mit langen Bärten und silbernen Sicheln, Scheiterhaufen blendend grell in der moldawischen Nacht.
    Er war angespannt, wo er doch entspannt hätte sein sollen.
    Nicht alle Eindrücke lagen weit zurück. Sie hatte ihren Spaß gehabt. Nun würde sie ihn töten. Ihr Arrangement mit Diogenes war nicht exklusiv. Sie hatte Moskau dieselben Dienste angeboten und war zu dem Schluss gekommen, dass der Kreml ihr am besten dabei helfen konnte, die Kontrolle über das Haus Vajda zu erringen. Schließlich lagen die Ländereien ihrer Vorfahren hinter dem Eisernen Vorhang.
    Einen Moment lang spürte er Bedauern. Sie hatte ihn wirklich genossen. Das wusste er.
    Sie wandte sich vom offenen Fenster um, und das schöne Gesicht dehnte sich. Ihr Mund erweiterte sich zu einem Maul, Fangzähne schossen aus den Kiefern.
    Er nahm das Handtuch herunter und erschoss sie mit der Pistole, die er darin eingewickelt hatte.
    Fast war Anibas schneller als die Kugel. Er hatte ihr das Silber
ins Herz setzen wollen, aber die rote Wunde explodierte in ihrer Schulter.
    Verdammt. Nun war er wohl tot.
    Ein Zentner wütendes Tier sprang ihm an die Brust, warf ihn auf den Rücken und drängte ihn bis zur Badezimmertür zurück.
    Sie war nicht wiederzuerkennen.
    Eine schwarze Schnauze schnappte nach seiner Kehle. Wolfsaugen funkelten ihn an. Klauenbewehrte Vorderpfoten schlugen in seine Brust. Ihre Hinterpfoten kratzten über den gefliesten Boden.
    Er hatte eine Hand unter ihrem Kiefer. Kiefernnadeldicke Borsten sprossen gegen seine Handfläche. Sein Unterarm war stahlhart angespannt, hielt die mörderischen Zähne von seiner Kehle fern.
    Immer noch strömte Blut aus ihrer Schulter. Fellbewachsene Haut zog sich enger über die Wunde, zerschmolz aber sofort wieder, vermochte die von Silber zerfetzte Stelle nicht zu verschorfen.
    Er hob die Pistole, versuchte ihr die Mündung ins Auge zu drücken. Sie schüttelte den Kopf und biss in die Walther; die Fänge hinterließen tiefe Kratzer im Lauf. Er verlor die Pistole und war froh, noch alle seine Finger zu haben.
    Sie bildete ein menschliches Gesicht aus.
    »Wie konntest du? Nach allem, was wir einander bedeutet haben?«
    Sie übertrieb es mit ihrem Appell, hinter dem Säuseln war ein Knurren zu hören.
    Sie war wieder ein Tier, mehr Bär als Wolf. Ihre Masse erdrückte ihn. Das Kleid von Balmain hing nur noch in Fetzen. An den hohen, spitzen Fuchs-Fledermaus-Ohren baumelten nach wie vor die Ohrringe. Er packte einen und riss ihn ab, zerfetzte das Ohr.

    Anibas heulte auf.
    Es war die Eitelkeit der Ältesten, Schmuck mit Silberfassungen zu tragen, um damit anzugeben, dass ihnen das tödliche Element nichts anhaben könne. Er versuchte der Vampirfrau das Flitterzeug ins linke Auge zu drücken.
    Er schaffte es nur, sie wütend zu machen.
    Ein Wirbel von Bewegungen, und das Gewicht ließ nach. Er hätte fast erleichtert aufgeatmet. Breite Kiefer schnappten nach seinem Körper, gleich unterhalb der linken Armbeuge. Fänge senkten sich hinein wie Fleischerhaken.
    Sie würde ihm den Brustkorb aufreißen und sein Herz fressen.
    Und das wäre es dann.
    Die Umklammerung ließ nach, und auf einmal spritzte eine Unmenge Blut, überschwemmte ihn schier. Ein Fäulnisgestank ließ ihn würgen. Für einen Moment meinte er, tot zu sein. Nein, er konnte sich aufsetzen.
    Anibas’ Maul löste sich von seiner Seite, und ihr Kopf rollte in seinen Schoß. Einen Augenblick später verwandelte ihr Kopf sich von dem eines Zeichentrickwolfs, Hals sauber abgetrennt, zu dem einer Frau. Blutbesudeltes Haar breitete sich über seine Knie aus. Dann war sie eine verschüttete Schale Nebel und trieb davon. Ein fingerbreiter weißer Schleier sammelte sich auf dem Badezimmerboden, waberte langsam.
    Die Schlampe war tot.
    Er spürte, wie seine Rippen wieder zusammenwuchsen.
    In der Türöffnung sah er Beine stehen. Einen gut gebauten Mann in roten Strumpfhosen. Von seinen Händen baumelte eine Länge Käsedraht; er glänzte silbrig, wo er nicht rot verklebt

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