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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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das langsame Dahinschwinden des Bewusstseins ausgekostet. Als Vampir schlief er einfach willentlich ein, als ob man das Licht löschte. Sein Geist blieb zusammen mit seinem Herzen stehen. Immerhin brauchte er jetzt nur noch drei oder vier Stunden Schlaf - Sargzeit, wie sie es nannten - im Monat.
    Er wusste augenblicklich, dass er nicht allein war.
    Er hatte die Tür und die Fenster natürlich versiegelt. Das Fallen der Siegel hätte ihn geweckt.
    »Still liegen bringt nichts, Commander Bond«, schnurrte eine seidige Stimme. »Ich habe Ihre offenen Augen gesehen.«
    Der Raum war stockdunkel. Sein Gegenüber war vampirisch, wie er.
    Beiläufig setzte er sich im Bett auf und schloss die Hand um die Walther PPK unter den Laken. Er schlief in einer japanischen Pyjamajacke, die um die Taille straff zugeknotet war.
    Er konnte ebenfalls im Dunklen sehen.
    Sie befand sich auf der anderen Seite des Zimmers und atmete Rauch aus, durch große, elegante Nasenlöcher. Eine seiner Zigaretten baumelte wie ein Skalpell zwischen ihren langen, schmalen Fingern.
    Sie saß nackt im Sessel, ein Knie sittsam über das andere gelegt. Obwohl sie den Hals für Jade besaß und die Ohrläppchen für Diamanten, trug sie keinen Schmuck. Eine mitternachtsschwarze Mähne wuchs glatt von einem spitzen Haaransatz weg und ergoss sich über breite Schultern und stolze Brüste.
    Ihr Gesicht war breit, slawisch, mit einem fast mongolischen Schnitt. Ihre fluoreszierenden violetten Augen hatten den Ansatz einer Epikanthusfalte. Ihr Gesicht war die schöne Maske eines heidnischen Götzenbilds; üppige Lippen teilten sich und gaben den Blick auf grausame Fänge frei.
    Er wusste sofort, dass sie eine Älteste war.

    Ihre übereinandergeschlagenen Beine waren lang. Ihm gefiel, wie sich unter der samtigen Haut zwischen Hüfte und Knie die Muskeln abzeichneten. Auf halber Höhe ihrer Schienbeine lösten sich Fleisch und Knochen auf, gingen in dünne Nebelschleier über.
    Er hatte von dem Trick gehört, ihn aber noch nie miterlebt. Sie hatte sich willentlich in lebendigen Nebel verwandelt, war unter der verschlossenen und präparierten Tür hindurchgeflossen und hatte sich in seinem Sessel wieder zusammengesetzt.
    Der letzte Nebelhauch verfestigte sich zu wohlgeformten weißen Füßen.
    »Bravo«, machte er ihr ein Kompliment.
    »Ich weiß gar nicht, warum ich mir die Mühe gemacht habe.« Die Vokale glätteten einen alten Akzent. »Ein überaus teures Kleid von Balmain liegt zerknittert auf dem Korridor, zusammen mit einem Paar Smaragdohrringen, die bestimmt jemand stiehlt. Ach, und noch zwanzig kleine Blütenblätter aus getrocknetem Nagellack.«
    Sie schnippte die noch brennende Zigarette weg und stand auf, wunderbar unanständig. Dann trat sie ans Fenster und stieß die Läden auf. Das letzte Licht des Sonnenuntergangs verlieh ihrer Haut ein einladendes Glühen. Ein Windstoß zauste ihre Mähne. Sie hatte volles Haar, es bog sich leicht an den Enden, wie eine Reihe winziger Angelhaken.
    »Ich heiße Anibas«, sagte sie und drehte sich zu ihm um, die rechte Hand aufs Herz gepresst. »Sie wissen, wer ich bin.«
    Durchaus.
    »Meine Urgroßtante ist Prinzessin Asa Vajda, die königliche Verlobte. Ich werde eine der Brautjungfern sein. Sie sollten das grässliche Kleid sehen, das ich anziehen soll.«
    Er entspannte sich ein wenig, erfreute sich an der Gegenwart dieses wilden Geschöpfs, ohne jedoch in seiner Wachsamkeit
nachzulassen, auf die er bei jemandem wie ihr nie verzichten würde.
    Unvermittelt war sie auf dem Bett, auf allen vieren, wie eine Füchsin. Seine Hand schloss sich um nichts.
    »Suchen Sie das hier?«
    Sie ließ die Pistole von ihrem Zeigefinger baumeln.
    »Sie sind eine von der flinken Sorte.«
    Sie kicherte. Es klang böse. »Und Sie sind ein Glückspilz.«
    Anibas schleuderte die Pistole beiseite und berührte sein Gesicht.
    »Ihr Mr. Winthrop sagte, er würde mir ein Geschenk schicken«, sagte sie. »Glauben Sie, es gefällt mir?«
    »Sie können mich immer noch zurück ins Meer werfen.«
    »Ich glaube nicht.« Rasiermesserscharfe Nägel strichen über sein Gesicht, gerade so sanft, dass die Haut heil blieb. »Ich werde es wohl behalten.«
    Selbst eine Warmblütige von Anibas’ Statur konnte einen beherzten Kampf liefern. Sie besaß die Beine einer Läuferin und die Hände einer Expertin im Karate. Sie war eine Vampirälteste, um Jahrhunderte älter als er. Sie spielte mit ihm. Wenn sie ihm unmittelbar Böses wollte, hätte sie ihm im Schlaf

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