Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
zehrte, die er im Ersten Weltkrieg erfahren hatte, Irena Dubrovna, eine katzenartige zerbrechliche kleine Serbin, die sich ständig dafür entschuldigte, dass sie schon wieder das Tischtuch zerschlitzt hatte, der englische Avantgardemaler Anthony Aloysius
St. John Hancock mit Baskenmütze und langer Zigarettenspitze, Nico Otzak, ein merkwürdiges dahingehauchtes blondes Ding aus Deutschland, das entweder sehr verloren oder sehr benebelt war, ein extrem langweiliger siebenhundertjähriger Graf sowie ein obszöner kleiner Buckeliger, der sich nur mit Neandertalergrunzlauten verständigte.
    Irgendwo hatte Penelope auch ein aufgekratztes neutotes amerikanisches Ehepaar ausgegraben, die Addams’. Sie trugen sehr dick auf, indem sie den Kleidungsstil der Autorinnen Clare Quilty und Vivian Darkbloom kopierten, der Mann in einem schrillen Nadelstreifenanzug und die Frau in einem eng anliegenden Seidengewand, beides von der Stange. Sie hatten geweißte Gesichter und schwarz gefärbte Haare. Mr. Addams hatte sein Geld mit der Eisenbahn und mit Kriegsmaterial gemacht und seiner Frau und sich anlässlich seines Ruhestands den Tod und die Wiederauferstehung gegönnt. Sie trug niedliche kleine Fledermausohrringe.
    Als die Kool-Tones ihr letztes Lied gesungen hatten, »Flying Saucers Rock’n’Roll«, bot der Kit Kat Klub seinen Gästen die hoffentlich einmalige Paarung der würdevollen Bianca Castafiore, der »Mailänder Nachtigall«, mit dem »Beat-Poeten« Max Brock, einem Ami mit einem falschen Bart. Der Poet begann Wortketten frei zu assoziieren, die oft kaum aneinanderpassten, während die Diva wortlos hinter ihm kreischte.
    »Dies ist mein Lied für Europa«, begann Brock.
    »Eine sentimentale Serenade der sisyphusschen Sorgenqualen
Stranguliert die säuselnden Seraphim des samenlosen Seibers,
Gurgelt in der Gosse galoppierender Grenzdebilität,
Frisst sich voll an den fetten Fischen früherer Fehler,
Verhöhnt den humpelnden Henry Harry Herman
Herbert Hoover,

Haruspex horribler Härten, Endlösung seelischen
Sodbrennens,
Während im Eisschrank Kinderstunde ist …«
    La Castafiore traf einen Ton, der die Toten reagieren ließ wie Hunde auf eine stumme Pfeife; sie bleckten die Fänge und stopften sich Servietten in die Ohren. Das Ganze begann Tom Spaß zu machen.
    »Zum Ausschank kommt kein Geburtstagswein,
Ich besauf mich mit Eruptivgestein …«
    Max Brock brach ab, entsetzt, dass er versehentlich ein Verspaar gebildet hatte, das sich reimte. Zornig stampfte er über die Bühne und schleuderte rhetorische Fragen ins Publikum wie Handgranaten.
    »Wie schmeckt Scharlachrot? Wann ist die Farbe von Februar? Denken Vordenker nach? Warum flog die Fledermaus am Mond vorbei? Was sind die neununddreißig Stufen? Wer ist die Mutter der Tränen?«
    Jemand zischte. Richtig. Nicht wie ein verärgerter Gast, sondern wie eine zornige Höllenschlange.
    Max Brock wandte dem Publikum den Rücken zu. Die Castafiore trillerte. Überall im Club explodierten Gläser. Scherben und Blut spritzten über den Tisch.
    »Einfach irre, der Bursche«, rief jemand. »Direkt aus der Klapsmühle!«
    Irena lachte wie ein Kätzchen, und Nico sah die Kleine an, als wäre sie das Abendessen. Penderel sagte betrunken etwas über Silbenbetonung und pries Max Brock als den größten Dichter eines Zeitalters, das nicht einmal in der Lage war, einen guten Dichter hervorzubringen.

    »Sie meinen, er ist ein großer Dichter, aber kein guter?«, fragte Mr. Addams und ließ die Augenbrauen hüpfen wie Groucho Marx. »Das sieht mir ganz nach einem Widerspruch aus.«
    »Ein großer Dichter und ein absolut grässlicher. Wir leben in einem Zeitalter des Grässlichen. Meinen Sie nicht, Mr. Hancock?«
    »Und ob!« Der englische Maler zog sich Servietten aus den Ohren und hatte die Frage vielleicht gar nicht gehört. »Ich nehme besser einen Kakao. Dieser Kerl hat vielleicht Nerven. Dreist.«
    »So etwas gefällt mir an einem Mann«, gurrte Mrs. Addams, sog die Wangen ein und spitzte die schwarzen Lippen.
    »Wer ist Ihr Lieblingsdichter, Mr. Kent?«, fragte Penelope grausam.
    »Walt Whitman«, antwortete er.
    »Sehr herkulisch«, ätzte sie.
    Tom hegte Bewunderung für Romantiker und Dekadente, nahm aber einen puritanisch-amerikanischen Zug in sich wahr, der ihn Menschen der Gegenwart missbilligen ließ, die sich romantisch oder dekadent gaben. Wie diese Meute hier.
    »Eddy Poe, der Drehbuchautor der Argonauten, meint, er habe seit seiner Verwandlung kein Gedicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher