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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Brastow. »Kali ist ein Kunstwerk, das Spielzeug eines Tyrannen der alten Zeit. Man kann dem Handwerker, der solche Schönheit zum Leben zu erwecken vermag, nur Respekt zollen. Ihre Umarmung ist tödlich, aber ihre Opfer sterben unter unbeschreiblichen Wonnen. Ganz im Ernst. Man hat das bei den Geistern der Verstorbenen durch Medien überprüfen lassen.«
    »Ich hatte in der letzten Zeit ein paar tödliche Umarmungen zu viel.«
    Der Kater auf dem Schreibtisch riss sein Maul zu einem spöttischen Gähnen auf.
    »Durchaus, Mr. Bond. Haben Sie Charles Beauregard aufgesucht, um ihn wegen des scharlachroten Henkers zu konsultieren?«

    So viel hatte Geneviève sich auch schon zusammengereimt. In ihr brodelte es vor nutzlosem Zorn. Falls sie dies hier überlebten, würde sie sich den britischen Spion noch vorknöpfen. Er hatte, ohne dass es nötig gewesen wäre, einen Sterbenden in Gefahr gebracht. Wie Brastow war er so auf sein Spiel versessen, dass er keinen Gedanken an die zerbrechlichen menschlichen Spielfiguren verschwendete.
    »Ich kann mir vorstellen, dass er zu denselben Schlüssen gekommen ist wie ich. Er besitzt Rang und Namen.«
    »Er erwähnte die Möglichkeit, dass Freunde von Ihnen beteiligt sein könnten«, sagte Bond. »Mario Balatos lausige Truppe.«
    Brastow lachte fauchend. »Er hat vielleicht die Möglichkeit erwähnt, aber er war gewiss nicht davon überzeugt. Unsere ungebärdigen Kinder sind höchst lästig, das gebe ich zu. Sie sind zu ideologisch und kennen die Spielregeln nicht. Noch ein unschöner Zug des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber das hier ist nicht ihr Stil. Nein, wir müssen ein bisschen tiefer graben, unter den Steinen. Die Antwort auf diese Frage ist alt, vielleicht so alt wie Rom.«
    Bond zuckte die Schultern.
    »Mademoiselle«, wandte Brastow sich an Geneviève, »sagt Ihnen die Mater lachrymarum etwas?«
    »Sie soll eine der drei Mütter sein«, sagte sie. »Hexen oder Gottheiten oder Schutzdämonen. Mater suspiriorum, die Mutter der Seufzer, Mater tenebrarum, die Mutter der Finsternis, und Mater lachrymarum, die Mutter der Tränen. Hüterinnen der kranken Seele Europas oder etwas in der Art. Thomas De Quincey hat ein Essay über sie geschrieben.«
    »Sie beeindrucken mich, ganz wie ich es erwartet hatte. Offiziell habe ich wenig Zeit für solchen esoterischen Unsinn. Er schmeckt nach Alchemie und spitzen Hüten. Moskau missbilligt Derartiges als unsozialistisch. Aber ich habe viele Quellen. Mater
lachrymarum, die Mutter der Tränen, ist von den dreien die Älteste, und ihre Legende ist untrennbar mit der Geschichte Roms verbunden. Sie war vor Romulus und Remus hier, heißt es. Sie hat die ganze römische Geschichte hindurch über ihren unsichtbaren Hof geherrscht. Caligula hat ihr geopfert, und Rodrigo Borgia war ihr Liebhaber, bevor er der Heilige Vater wurde. Mythen, Gerüchte und Märchen … aber in ihrem Kern liegt eine Wahrheit, die sich auf uns alle auswirkt. Es wird geflüstert, dass die Mutter der Tränen mehr ist als eine Urlegende und dass dieser scharlachrote Henker in ihrem Bann steht.«
    Geneviève begriff, dass sie nicht zu einer Befragung hierhergebracht worden waren, sondern um eine Antwort zu bekommen.
    Es ging nur darum, einen Namen zur Sprache zu bringen.
    Mater lachrymarum.
    Mehr nicht. Für Brastow war die Unterredung beendet. Einer von ihnen würde freigelassen werden, damit er in Brastows Sinne tätig werden konnte. Der andere würde sterben, das unterstrich die Ernsthaftigkeit dieser Angelegenheit.
    »Vielleicht möchten Sie gern mit Kali tanzen«, sagte Brastow.
    Die Spinnenarme des Automaten schlossen sich, verfehlten nur knapp Bonds Brust.
    Brastow lachte.
    Geneviève zog die Walther aus der Handtasche und warf sie Bond zu. Er wusste mit dem verfluchten Ding umzugehen.
    Bond trat vor und erschoss den Mann hinter dem Schreibtisch. Zwei perfekt gezielte Schüsse in die Brust. Der Mann wurde in den Drehstuhl zurückgeworfen, dann fiel er langsam nach vorn aufs Gesicht.
    Sie konnte es nicht fassen, dass Bond ein solcher Fehler unterlaufen war.
    »Das war aber nicht sehr freundlich«, sagte Brastow. »Russen auszubilden ist harte Arbeit.«

    Bond war verblüfft. Geneviève war außer sich.
    »Doch nicht den Menschen, Sie Vollidiot!«, rief sie. »Den Kater!«
    Brastow glitt den Schreibtisch hinunter wie ein pelziger Blitz, lief verstohlen auf größer werdenden Pfoten davon. Er nahm etwas menschlichere Form an, die Hinterläufe wurden länger, die Vorderpfoten

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