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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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nahe, dass sie sich einigen Vampiren zu viel zur Verfügung stellte.
    »Ciao«, piepste sie. »Ich bin Cabiria. Das bedeutet ›aus dem Feuer geboren‹.«
    Sie sprach Englisch mit Akzent. Cabiria hieß die Heldin eines italienischen Filmspektakels, das Kate vor dem Ersten Weltkrieg gesehen hatte. Offensichtlich lebte die Erinnerung daran noch fort. Seit damals hatte Italien für genug Feuer gesorgt, um viele Heldinnen hervorzubringen.
    Marcello versuchte die Hure abzuwimmeln, aber Kate ließ es nicht zu.
    »Sind Sie öfter hier?«, fragte sie.
    Cabiria war verblüfft.
    Kate lachte. »Entschuldigen Sie die Frage. Aber ich meine das ernst. Sind Sie öfter auf der Piazza di Trevi?«
    »Ab und zu«, sagte Cabiria. »Es ist gut hier. Viele Touristen. Nette Männer. Großzügig. Wie sagt man? Das Geld sitzt locker?«
    »Ich suche nach einem kleinen Mädchen. Ragazza. Ich habe sie hier gesehen.«
    Die Hure wirkte schockiert und wich zurück. Kate begriff, dass sie für eine blutdurstige Kinderschänderin gehalten wurde. Manchmal machte man einen falschen Eindruck als Vampir.
    »Ich glaube, ich kann nicht helfen.«
    »Nein.« Kate berührte die Frau beim Arm. »So habe ich das nicht gemeint. Sie hatte sich verlaufen, glaube ich. Ich möchte mit ihr reden. Sie hat etwas gesehen. Haben Sie von den Morden gehört, von dem scharlachroten Henker?«
    Cabiria bekreuzigte sich und spuckte aus.

    Kate hatte die Frau für kaum erwachsen gehalten. Sie war klein und zierlich. Ihr Gesicht war faltenlos und offen, fast clownesk. Aber sie musste über dreißig sein. Sie wirkte ein bisschen mitgenommen, wie ihre Kleidung. Wahrscheinlich wurde sie gelegentlich verprügelt.
    »Vielleicht fragen Sie besser die Wahrsagerin«, schlug Cabiria vor.
    Marcello schnaubte. Er versuchte sich wegzubewegen, Kate mitzuziehen. Kate hielt dagegen. Sie war interessiert.
    »Ich kann Sie bringen. Ist nicht weit. Wo ich wohne.«
    »Wir haben ein Auto«, sagte Kate.
    Marcello war voller kaltem Zorn. Er wollte keine Hure in sein Auto lassen, in den kostbaren roten Ferrari (der ihm nicht einmal gehörte - Penny hatte ihm den Wagen überlassen, aus Gründen, die Kate nicht verstand und die ihr Sorgen bereiteten). Und das entschied es für Kate. Der Italiener brauchte eine Lektion.
    »Signora Santona ist die große Wahrsagerin von meinem Bezirk.«
    »Wo wohnen Sie denn?«
    »I Cessati Spiriti«, sagte Cabiria.
    Die toten Seelen. Kate spürte Marcellos plötzliche Furcht.
    »Auf gar keinen Fall«, sagte er. »Kate, Sie wissen nicht, wie es dort zugeht.«
    Den Großteil ihres Lebens lang hatte Kate sich von Männern anhören müssen, dass etwas auf gar keinen Fall ginge, dass man in bestimmte Gegenden nicht seinen Fuß setzen dürfe. In der Regel meinten sie damit die Armenviertel. Oder dass dort Zustände herrschten, von denen die Zeitungsleser besser nicht erfuhren. Hätte Marcello sie besser gekannt, wäre ihm klar gewesen, dass sie nach seinen Einwendungen erst recht dorthin wollte.
    »Ich war schon in sehr üblen Gegenden, Marcello«, sagte sie. »In schlimmeren, als Sie sich vorstellen können.«

    »Mag sein. Aber Sie waren noch nie in I Cessati Spiriti.«
    »Es klingt beeindruckend.«
    »Es ist gar nicht so schlimm«, sagte Cabiria. »Die Toten dort sind nicht so flink wie Sie, vampiro. Das sind morti viventi, die sind langsam. Man muss nur aufpassen.«
    Kate ging vor zum Sportwagen. Cabiria war hingerissen von dem Wagen und behandelte ihn mit dem Respekt, der einem religiösen Gegenstand gebührte. »Ferrari«, sagte sie immer wieder mit glänzenden Augen und kostete die die rrr-Laute aus, strich über den spiegelblanken Lack der Karosserie. Es war ein nettes Auto, aber Kate wusste wirklich nicht, was die Aufregung sollte.
    Zu dritt in einem Zweisitzer war es ein bisschen eng, aber Kate und Cabiria waren kleiner als der Durchschnitt. Cabiria setzte einen Glockenhut auf. Kate fürchtete ein wenig um ihren Dior. Marcello löste die Bremse und ließ das Raubtier unter der Motorhaube frei. Zum ersten Mal, seit Kate ihn kennengelernt hatte, lächelte er wirklich und überdeckte nicht nur Langeweile mit Höflichkeit. Hinterm Steuer war er ein kleiner Junge mit einem neuen Spielzeug, der leise »wruum wruum« machte, während er den Ferrari mit nicht ratsamer Geschwindigkeit durch die engen Gassen lenkte.
    Während der Fahrt durch die Stadt erzählte Cabiria ihr ein wenig über I Cessati Spiriti, und Marcello fügte unheilvolle Anmerkungen hinzu. Der einst

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