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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Wettstreit und begab sich auf die Suche nach seiner widerspenstigen Nichte.

    »Ein gerissenes Frauenzimmer«, sagte Art und nickte Kate hinterdrein.
    »Pfui«, erwiderte Penelope kopfschüttelnd. »Nur Mädchen, die keinen Ehemann bekommen, ergreifen einen Beruf.«
    »Miau.«
    »Bisweilen habe ich so ein Gefühl, als ginge all das über meine Begriffe«, klagte sie.
    »Darüber sollten Sie sich nicht Ihr hübsches Köpfchen zerbrechen«, sagte er und wandte sich wieder zu ihr um.
    Art kitzelte sie unter dem Kinn und hob ihren Kopf, so dass er ihr in die Augen blicken konnte. Einen Moment lang glaubte sie, er wolle sie küssen - hier, in aller Öffentlichkeit, vor der versammelten Londoner Theatergesellschaft -, doch das tat er keineswegs. Stattdessen lachte er und ließ dann von ihr ab.
    »Charles sollte sich beizeiten vergegenwärtigen, dass es nicht ganz ungefährlich ist, Sie unbeaufsichtigt zu lassen. Sonst wird Sie am Ende jemand wegstehlen, um Sie dem neuen Babylon als Jungfrauenopfer darzubringen.«
    Sie kicherte, wie man es sie zu tun gelehrt hatte, wann immer jemand etwas sagte, das sie nicht recht verstand. In Lord Godalmings pechschwarzen Augen blitzte etwas auf. Penelope spürte, wie ein winziges Feuer in ihrer Brust wuchs, und fragte sich, wo all das hinführen mochte.

12
    Dämmerung der Toten
    D ie Dämmerung tränkte den Nebel mit Blut. Sowie die Sonne aufging, eilten die Neugeborenen in ihre Särge und Schlupfwinkel. Ohne Furcht vor den fliehenden Schatten schlenderte Geneviève allein nach Toynbee Hall zurück. Wie Vlad Tepes war sie alt genug, nicht in der Sonne zu verschrumpfen wie die empfindlicheren Neugeborenen, und doch schwand die Kraft, die ihr der Lebenssaft des warmblütigen Mädchens verliehen hatte, mit dem Tagesanbruch allmählich dahin. In der Commercial Road traf sie auf einen warmblütigen Polizisten und grüßte ihn mit einem Nicken. Er wandte sich ab und ging seiner Wege. Das unbestimmte Gefühl, dass gerade außer Sehweite jemand sie auf Schritt und Tritt verfolgte, kehrte zurück; eine Sinnestäuschung, wie man ihr in diesem Viertel fortwährend erlag.
    Während der vergangenen zwei Wochen hatte sie mehr Zeit auf Silver Knife verwandt als auf ihr Nachtwerk. Druitt und Morrison verrichteten doppelte Arbeit, jonglierten mit der begrenzten Anzahl von Schlafstätten, um zunächst den Bedürftigsten Beistand leisten zu können. Obgleich es sich bei der Hall zuallererst um ein Bildungsinstitut handelte, ähnelte sie zusehends einem Feldlazarett. Da sie einem Sicherheitsausschuss beisaß, hatte Geneviève an so vielen lärmenden Versammlungen teilnehmen müssen, dass ihr die Worte jetzt noch in den Ohren hallten, so wie Musik jenen Konzertbesuchern in den Ohren klang, die allzu nahe beim Orchester Platz genommen hatten.
    Sie blieb stehen und lauschte. Wieder glaubte sie sich verfolgt. Ihre Vampirsinne waren hellwach, und sie hatte das schemenhafte Abbild eines in gelbe Seide gewandeten Etwas vor Augen, das sich mittels sonderbarer lautloser Sprünge vorwärtsbewegte, die
langen Arme wie ein Schlafwandler ausgestreckt. Sie starrte in den Nebel, doch nichts war zu sehen. Vielleicht hatte sie eine Erinnerung oder Fantasie der Warmblüterin absorbiert, die sie nun plagen würde, bis das Blut des Mädchens aus ihrem Körper gewichen war. Sie kannte dieses Gefühl.
    George Bernard Shaw und Beatrice Potter hielten Reden in der ganzen Stadt, nahmen die Morde als Anlass, um auf die Zustände im East End aufmerksam zu machen. Keiner der beiden Sozialisten war ein nosferatu; und wenn Geneviève nicht alles täuschte, hatte Shaws Name mitunter in Zusammenhang mit einer republikanischen Rotte Erwähnung gefunden. In der Pall Mall Gazette zog W. T. Stead gegen Silver Knife vom Leder, wie er es bereits bei seinen früheren Feldzügen gegen Ausbeutung und Kindervampirismus getan hatte. In Ermangelung des Täters schien er der Gesellschaft die Schuld geben zu wollen. Toynbee Hall erhielt derzeit so viele wohltätige Spenden, dass Druitt sich zu dem Vorschlag verleitet sah, die Umtriebe des Mörders zu befördern, um so an weitere Geldmittel zu gelangen. Eine Anregung, die einen ernsten Menschen wie Jack Seward nicht besonders amüsierte.
    Ein Anschlagzettel an der Rückseite eines Mietstalls versprach eine neuerliche Belohnung für jeden Hinweis, der zur Ergreifung des Whitechapel-Mörders führe. Rivalisierende Bürgergarden, die sich aus Warmblütern wie Neugeborenen rekrutierten, streunten mit

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