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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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darstellen, in neun von zehn Fällen ist er jedoch auch ein tödliches Gift.«
    »In Anbetracht der lebenswichtigen Bedeutung dieses Forschungsgebietes hat man diesen Aspekt bislang sträflich vernachlässigt«, setzte Moreau hinzu. »Dom Augustin Calmet wird noch heute als mustergültiger Quellentext herangezogen.«
    Calmet war der Verfasser einer Abhandlung über die Vampire Ungarns und der umliegenden Gebiete, die erstmals im Jahre 1746 erschienen war, einer Sammlung zweifelhafter Vorfälle und deftig ausgeschmückter Volkssagen.
    »Selbst der selige, zu Unrecht in Verruf geratene Van Helsing war im Herzen ein Anhänger Calmets«, sagte Jekyll.
    »Die Herren sind demnach bestrebt, zum Newton beziehungsweise Galileo des Vampirismus-Studiums aufzusteigen?«
    »Ein guter Ruf hat nicht das Geringste zu bedeuten«, entgegnete Moreau. »Den kann sich jeder Narr erkaufen. Betrachten Sie doch nur einmal die Royal Society, und erkennen Sie ihre Mitglieder, Warmblüter wie Untote, als jenes lose Pack kahlköpfiger Paviane an, das sie tatsächlich sind. In der Wissenschaft zählt allein der Beweis. Und den werden wir schon bald erbracht haben.«
    »Den Beweis wofür?«
    »Für das Vermögen des Menschen, es zur Perfektion zu bringen, Miss Dieudonné«, sagte Jekyll. »Sie tragen einen angemessenen Namen. Womöglich sind Sie uns in der Tat von Gott gegeben. Wenn wir alle sein könnten wie Sie …«

    »Wenn wir alle Vampire wären, von wem sollten die Vampire sich ernähren?«
    »Nun, wir würden Afrikaner und Südsee-Insulaner importieren«, meinte Moreau, als wollte er einen Dummkopf davon überzeugen, dass der Himmel blau sei. »Oder Tiere niederer Ordnung zu menschlicher Gestalt heranzüchten. Wenn Vampire imstande sind, ihre Gestalt zu wandeln, so vermögen dies zweifellos auch andere Kreaturen.«
    »Es gibt Vampire in Afrika, Dr. Moreau. Fürst Mamuwalde ist dort durchaus hoch angesehen. Und selbst in der Südsee habe ich Brüder und Schwestern …«
    Geneviève sah ein unheilvolles Licht in Dr. Jekylls Augen schimmern. Sein pendant spiegelte sich in den begierigen Blicken Dr. Moreaus: die Lust des Prometheus, das Verlangen nach einer alles verzehrenden Flamme des Wissens.
    »Welch eine kalte, finstere Stille wäre doch die Perfektion«, sagte Geneviève. »Ich denke mir, eine allumfassende Vervollkommnung käme dem Tod recht nahe.«

28
    Pamela
    E s scheint, als hätte ich mit einem Mal ein warmherziges, ja beinahe zärtliches Gefühl für Dom Augustin Calmet entwickelt«, sagte Geneviève. Beauregard zeigte sich überaus belustigt.
    Auf dem Weg zurück nach Whitechapel saß sie im Wagen dicht neben ihm. Clayton, den Beauregard für die ganze Nacht angeworben hatte, kannte ihr Ziel. Seit seinem unfreiwilligen Ausflug nach Limehouse zog Beauregard es vor, sich von einem Fuhrmann
durch London kutschieren zu lassen, der, wie er wusste, dem Diogenes-Club zu Diensten stand.
    »Viele brillante Männer wurden von ihren Zeitgenossen für geisteskrank gehalten.«
    »Ich habe keine Zeitgenossen«, erwiderte sie. »Mit Ausnahme von Vlad Tepes, dem ich allerdings nie begegnet bin.«
    »Können Sie mir trotzdem folgen?«
    Genevièves Augen leuchteten. »Aber natürlich, Charles …«
    Sie hatte sich die Gewohnheit zu eigen gemacht, ihn beim Vornamen zu nennen. Unter anderen Umständen wäre ihm dies vielleicht unziemlich erschienen, doch war es widersinnig, bei einer Frau, die zehnmal seine Urgroßmutter hätte sein können, auf der von der Etikette vorgeschriebenen Anrede zu bestehen.
    »Es wäre doch möglich, dass es sich bei den Morden um Experimente handelt«, fuhr sie fort. »Wenn Dr. Knox eine Leiche benötigte, scherte es ihn keinen grünen Heller, woher er sie bekam; Dr. Jekyll und Dr. Moreau benötigen die Leichname von Untoten, warum also sollten sie so sehr darüber erhaben sein, sie auf den Straßen Whitechapels zu ernten?«
    »Vor einigen Jahren war Moreau in einen Vivisektionsskandal um einen gehäuteten Hund verwickelt. Eine überaus widerwärtige Geschichte.«
    »Typisch. Unter seinem weißen Kittel steckt nichts weiter als ein Höhlenmensch.«
    »Und er verfügt über nicht geringe Körperkraft. Und großes Geschick im Umgang mit dem Ochsenziemer, sagt man. Er hat sich reichlich durch die Welt geschlagen.«
    »Aber dass er unser Mörder ist, glauben Sie nicht?«
    Es erfüllte Beauregard mit gelindem Erstaunen, dass sie ihm derart zuvorgekommen war. »Nein. Schließlich genießt er einen Ruf als genialischer

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