Die Vampirjaegerin
Miriam Minate«, sagte er, als ob das alles erklärte. »Du bist stolz und dazu hast du auch allen Grund. Und niemand – überhaupt niemand –
kann dir das nehmen, wenn du es nicht zulässt. Du bist jetzt sicher«, versprach er ihr. »Gib diesem Mistkerl nicht die Genugtuung zu sehen, dass er dich verletzt hat.
Niemand kann dich zum Opfer machen außer dir selber.«
Sie schüttelte den Kopf, als sie daran dachte, wie dumm sie gewesen war. Eine fremde Stadt, ein fremdes Hotel, ein fremder Mann ... Warum hatte sie ihm vertraut? Nicht einmal zu Hause hätte sie einen Fremden so nahe an sich herankommen lassen, ganz egal wie nett oder gut aussehend er gewesen wäre.
Mr Minate stand auf und umarmte seine Tochter liebevoll. Sie konnte seine Müdigkeit und seine Angst spüren. Obwohl er wusste, dass die Gefahr vorüber war, hatte er immer noch fast panische Angst.
Bei der Planung ihrer Reise nach Midnight hatte Turquoise eines außer Acht gelassen: Sie litt unter Klaustrophobie. Nicht sehr stark – sie würde also nicht schreiend in einer Ecke kauern, aber sie hasste es, in einem kleinen Raum festzusitzen.
So lief sie entweder im Zimmer auf und ab oder döste ein wenig. Im Halbschlaf träumte sie und es waren keine angenehmen Träume.
Aber ob sie schlief oder wach war, stets verfolgten sie lebhafte Erinnerungen an das Haus von Lord Daryl.
Es hatte drei Stockwerke. Im obersten befanden sich die Küchen, die Wäscherei und die Unterkünfte für die vielen gewöhnlichen Sklaven von Lord Daryl.
Turquoise durfte sich dort nicht aufhalten, doch sie hatte sich dort einmal umgesehen, als Lord Daryl nicht zu Hause war. Bei seiner Rückkehr hatte er sie bewusstlos geschlagen.
Im zweiten Stock befanden sich hauptsächlich Schlafzimmer – ihres, das von Lord Daryl und Gästezimmer. Auf derselben Etage war auch Lord Daryls Atelier gewesen, ein großes Zimmer auf der Nordseite des Hauses. Es war der einzige Raum mit einem Fenster, einer großen Glaswand. Entgegen Lord Daryls Anordnungen war Catherine ein- oder zweimal im Monat, wenn sie dringend Sonnenlicht brauchte, hineingeschlichen. Die Aussicht auf ein Leben jenseits ihres Sklavendaseins war ihr eine Tracht Prügel wert gewesen.
Auf der ersten Etage lagen ein Büro mit einem stets verschlossenen Schubladenschrank, das Esszimmer und die Bibliothek. Dort hatte Catherine viele Stunden damit zugebracht, Geschichtsbücher zu lesen, da Lord Daryl eine kleine Sammlung besaß. Ihre Mahlzeiten nahm sie alleine ein. Lord Daryls Sklaven schwiegen, wenn sie ihr Essen servierten. Wenn Lord Daryl nicht mit ihr sprach, hörte Catherine keine Stimme, ja überhaupt keinen Laut.
Das Erdgeschoss bestand einzig aus einem großen, eleganten Ballsaal mit einem Flügel, einem Tanzboden und einem Kronleuchter, den sie nie hatte leuchten sehen. Lord Daryl war eifersüchtig und paranoid und hielt Catherine von anderen seiner Art fern. Wenn er ein Fest gab, schloss er sein Spielzeug stets in einem Nebenraum ein, wo sie die Musik oder Stimmen nur gedämpft hören konnte.
Dieses Zimmer, eine kleine Kammer neben dem Ballsaal, war für Catherine ein Zufluchtsort gewesen. Der Teppich war weich und schwarz und die Wände in einem so dunklen Bordeauxrot gehalten, dass man das Rot nur bei direkter Beleuchtung erkennen konnte. Ein Sofa und ein dazu passender Sessel aus schwarzem Wildleder standen dort sowie ein kleines Bücherregal in einer Ecke, auf dem Fotos von Leuten standen, die Catherine nicht kannte, und Bücher in einer Sprache, die sie nicht verstand.
Turquoise zwang sich, nicht länger an die Vergangenheit zu denken. Sie sah zu Ravyn hinüber, die auf dem Bett lag, die Stuckdecke anstarrte und die Gelegenheit zu einer intelligenten Konversation verstreichen ließ. Also begann Turquoise, auf dem Boden Liegestütze zu machen. Normalerweise rannte sie sechs Kilometer und trainierte dann mit Gewichten, doch in ihrem kleinen Zimmer waren die Möglichkeiten eingeschränkt.
Sie machte fünfzig Liegestütze mit dem rechten Arm, und als sie bei der siebenunddreißigsten mit dem linken war, klopfte es an der Tür.
»Ich bin es, Eric. Kann ich reinkommen?«
»Komm schon!«, rief Ravyn. »Ich bin schon müde, wenn ich dir nur zusehe«, meinte sie zu Turquoise, als sie aus dem Bett sprang.
»Ich habe versprochen, euch den Südflügel zu zeigen«, erinnerte Eric sie. »Aber vielleicht wollt ihr erst einmal etwas essen?« Er wandte sich an Ravyn. »Ist das in Ordnung?«
»Hervorragend«, fand
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