Die Vampirjaegerin
Das Leben in einer Stadt mit selbstständigen Menschen zu organisieren, musste wesentlich schwieriger sein.
Sie wollte ihn nicht töten. Diese Erkenntnis traf Turquoise ganz plötzlich. Sie glaubte nicht, dass Jaguar versuchen würde, Jeshickah zu beschützen, aber jeder Vampir würde versuchen, zwei Jägerinnen in seinem Territorium zu vernichten.
Wenn er das tat, würde Turquoise ihn töten müssen.
Kümmere dich später darum, ermahnte sie sich. Über diese Probleme konnte sie immer noch nachdenken, wenn und falls sie auftauchten. Im Moment brauchte Turquoise Zeit, um ihren Körper und ihren Geist wieder kampfbereit zu machen.
So durcheinander, wie sie war, konnte sie es sich nicht leisten, Lord Daryl oder Jeshickah entgegenzutreten, und nach der letzten erniedrigenden Begegnung musste sie erst einmal ihre Selbstbeherrschung zurückgewinnen.
Während Jaguar arbeitete, machte Turquoise einen Teil ihrer Übungen, gerade genug, um sich aufzuwärmen. Sie hatte nicht die Kraft, ihr ganzes übliches Programm zu absolvieren.
Schließlich ließ sie sich auf dem Moos nieder, um Luft zu schöpfen, und begann dann, ihre Sinne zu justieren. Menschen verließen sich sehr stark auf ihre Augen, doch eine Jägerin musste auch ihre anderen Sinne schärfen, wenn sie überleben wollte. Geräusche und Gerüche konnten einem sowohl über die Umgebung als auch über den Feind wichtige Informationen geben. Noch wichtiger war der tierische Instinkt, der vor natürlichen Feinden warnte.
Menschen hatten keine natürlichen Feinde, daher vernachlässigten sie ihren latenten sechsten Sinn zumeist.
Starke Vampire hatten eine Aura, die selbst Menschen ohne viel Gespür nervös machte; sensiblere Menschen würden einen Blutsauger instinktiv meiden.
Eine ausgebildete Jägerin wie Turquoise konnte die Anwesenheit eines Vampirs bewusst spüren. So konnte sie nicht so leicht überrascht werden und hatte mehr Zeit zu reagieren.
Sie fühlte Jaguars Anwesenheit wie ein leichtes Kribbeln auf ihrer Haut und sie hörte das leise Rascheln von Papier und seinen ruhigen Atem.
Atem? Sie öffnete die Augen. Jaguar sah sie nicht an, deshalb konnte sie ihn aufmerksam beobachten. Es überraschte sie, dass er regelmäßig atmete wie ein Mensch. Turquoise wusste zwar, dass Vampire seufzten, gähnten oder auf ähnliche Weise Gefühle ausdrückten, aber sie kannte keinen, der gerade diese menschliche Gewohnheit permanent beibehielt. Sie fand es recht liebenswert.
Jaguar spürte, dass Turquoise ihn beobachtete. Wie eine Katze rollte er sich auf die Seite, um sie anzusehen. »Wie fühlst du dich?«
»Es tut etwas weh, aber sonst geht es ganz gut«, erwiderte sie. »Kommen Sie gut voran?«
Jaguar schüttelte den Kopf. »Ich kriege nie etwas zustande! Wenn ich in meinem Zimmer arbeite, kommt ständig jemand, der mich entweder bedroht oder mir etwas verkaufen will. Und wenn ich hier arbeite, wird diese Dame hier nervös.«
Liebevoll strich er mit der Hand über Shaylas Schnauze. Er klang nachdenklich, als er sagte: »Im ursprünglichen Midnight hielt sich Jeshickah ein Albino-Leopardenweibchen in diesem Innenhof. Sie hieß Nekita.«
»Jeshickah hat nicht viel von einer Katze«, stellte Turquoise fest. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie Jeshickah, ähnlich wie Jaguar mit Shayla, mit ihrem Leoparden spielte, schaffte es aber nicht.
»Wenn Jeshickah wütend war, band sie Leute an die Bäume im Hof, sodass Nekita ihre Krallen an ihnen schärfen konnte. Die Opfer waren meist Menschen, gelegentlich auch Formwandler, manchmal sogar Vampire.«
Turquoise verzog das Gesicht. Sie fragte nicht – und sie wollte es auch gar nicht wissen –, ob Jaguar je Nekitas Opfer gewesen war.
»Ich nehme an, das ist der Teil des ursprünglichen Midnight, den Sie ändern wollen?«
Er nickte. »Shayla ist sehr sanftmütig. Sie jagt die Beute, die ich ihr hierherbringe, meist Kaninchen oder Vögel, die hier hereinfliegen, und sie greift an, wenn sie Angst hat. Aber wenn sie die Wahl hat, würde sie eher fliehen, als jemanden zu verletzen. Nur die menschliche Natur ist fähig zu quälen.«
»Und Vampire?«
»Glaubst du, dass das Vampirblut den Wunsch weckt, andere zu verletzen?«, fragte Jaguar. Er schüttelte den Kopf. »Ein Vampir auf Nahrungssuche ist so einfach und natürlich wie ein Wolf oder ein Löwe. Nur wenn eine Kreatur von einem menschlichen Geist beherrscht wird, hat sie das Verlangen, Schmerzen zu verursachen.«
Er sah Shayla liebevoll an, und Turquoise
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