Die Vampirjaegerin
hervor. Sein Geständnis überraschte sie so sehr, dass sie nur stumm den Kopf schütteln konnte.
»Ich war eines ihrer frühen Experimente«, erklärte Nathaniel. »Ihr dritter Zögling. Eigentlich hätte ich Sklavenausbilder werden sollen. Ich war der Erste, der ihr widersprach und es überlebte.« Er warf einen Blick zur Küche hin, wo Eric angestrengt versuchte, sie nicht zu beachten, und wandte sich dann wieder Turquoise zu. »Nachdem sie an mir gescheitert war, suchte sie sich Leute, die bereits die Neigungen hatten, die sie bevorzugte. Gabriel war ihr Liebling, aber sie mochte ihn zu gern. Sie konnte ihn nie ganz besitzen, nie so wie die anderen. Und damit meine ich auch Jaguar.«
Nach einem Moment der Stille fragte Turquoise nach: »Aber warum hast du mich dann so viele Jahre später vor Daryl gerettet? Du bist nicht böse, aber, um es mal mit deinen Worten zu sagen, du bist auch nicht gerade ein Held instrahlender Rüstung.«
»Keine Ahnung.« Er schüttelte den Kopf. »Daryl wollte dich sowieso loswerden, also hat es mich nicht viel Mühe gekostet. Und vielleicht weil du mich ein wenig an mich selbst erinnert hast.«
»An dich?«, japste sie überrascht.
»Als ich noch ein Mensch in Jeshickahs Midnight war«, erklärte er.
Turquoise stand auf, zu enttäuscht, um still sitzen zu bleiben. »Du warst auch nur eines von ihren ... Schoßtieren?«
»Niemals«, erwiderte er schnell. »Sie hat es versucht. Bevor sie mich brechen konnte, verlor sie die Geduld und verletzte mich zu schwer, als dass ich es als normaler Mensch überlebt hätte. Statt eine Niederlage einzugestehen, veränderte sie mich lieber, und bis sie feststellte, dass sie mich nicht beherrschen konnte, hatte ich in ihrem Reich zu viel Einfluss, als dass sie mich noch hätte vernichten können.« Er fuhr fort, bevor Turquoise etwas sagen konnte. »Es scheint, als fühle sich Jaguar dir aus einem ganz ähnlichen Grund nahe.«
»Bei dir könnte ich das glauben«, wandte Turquoise ein. »Aber ich habe genug über Jaguars Leben gehört, um zu wissen, dass wir nichts gemein haben. Bevor Daryl sich Cathy genommen hat, führte sie ein perfektes Leben.« Sie hörte die Bitterkeit in ihrer Stimme. Achtzehn Jahre lang war sie einfach nur unschuldig gewesen, bevor sie abrupt in eine Hölle der Schmerzen gestoßen wurde. Diesen Schicksalsschlag hatte sie nur knapp überlebt.
Hätte sie lieber Jaguars Leben geführt? Sie hatte alles an Daryl verloren, doch immerhin hatte sie Erinnerungen an gute Zeiten, auch wenn sie zusehends verblassten.
Nathaniel schüttelte den Kopf. »Jaguar versucht, sich von Jeshickah zu lösen.
Vielleicht kann er das erst, wenn sie tot ist, und selbst dann glaube ich kaum, dass es ihm je ganz gelingen wird. Du versuchst, dich von Daryl zu lösen ...«
»Das habe ich bereits«, korrigierte ihn Turquoise.
Nathaniel nickte nur und wechselte taktvoll das Thema. »Was hast du jetzt vor?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, gab sie zu.
»Gehst du zurück zu Bruja?«
»Natürlich. Ich muss noch den Entscheidungskampf bestehen«, antwortete sie, ohne zu zögern. Doch im gleichen Moment musste sie darüber nachdenken. Erics Frage nach Cathys Träumen kam ihr in den Sinn und brachte ihre Gedanken unangenehm durcheinander.
Nathaniel hatte sie zu Bruja gebracht. Sie hatte ihren Eintritt in die Gilde als die Chance angesehen, stark zu werden und zu lernen, sich zu verteidigen. Sie hatte nicht beabsichtigt, dass Bruja zu ihrem Lebensmittelpunkt werden würde, doch die Jagd hatte sie vollständig vereinnahmt. Was sonst sollte sie tun? Sie hatte nicht das Gefühl, als könnte sie es überleben, in einem Klassenzimmer zu sitzen. Ihre Unterhaltung mit Greg hatte ihr deutlich gezeigt, wie stark sich ihr Leben von dem unterschied, was sie sich früher einmal vorgestellt hatte.
Nathaniel spürte ihre Unsicherheit und lenkte das Gespräch in allgemeinere Bahnen. »Man sagt, dass der Gründer von Bruja ein Vampir war.«
»Das würde mich nicht überraschen«, antwortete Turquoise. »Die Gilden sind nicht gerade für ihre Menschlichkeit bekannt. Ist dieser Vampir noch ... am Leben?« Es schien merkwürdig, bei einem Vampir von Leben zu sprechen, aber sie wusste nicht, wie sie es sonst nennen sollte.
»Sie lebt«, antwortete Nathaniel fast belustigt. »Aber sie weigert sich standhaft, die Gerüchte zu bestätigen. Sie lebt entweder als zurückgezogene Künstlerin oder sie hinterlässt in der menschlichen Gesellschaft gnadenlose,
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