Die Vampirjaegerin
weg. Das letzte, was sie wollte, war eine nette Plauderei mit Greg.
Greg, so hieß er. Sie erinnerte sich daran, dass sie ihm einmal bei einem Streich der Oberstufenschüler geholfen hatte. Sie hatten eine der sezierten Ratten aus dem Biolabor gestohlen, sie zwischen Brotscheiben gesteckt und in Plastik gewickelt und auf ein Tablett der Sandwichtheke in der Cafeteria gelegt. Welche unglückliche Fügung ließ ihn ihr hier über den Weg laufen?
»Was machst du hier?«, fragte sie.
Ihre Worte klangen etwas barsch und Greg sah überrascht aus, antwortete aber immer noch gut gelaunt: »Ich habe eine Wohnung hier in der Stadt. Ich weiß, ich habe mal gesagt, ich wolle nie wieder in einer Kleinstadt leben, aber ich hab's mir anders überlegt.« Er sah auf seine Uhr und zuckte zusammen. »Ich muss gehen!
Kann ich dich irgendwo erreichen? Wir sollten wieder Kontakt aufnehmen.
Wohnst du hier in der Nähe?«
Wusste er denn nicht, dass Catherine Minate tot war? Ihre Leiche war zwar nie gefunden worden, aber sie war tot. Turquoise konnte sich noch an einiges erinnern, obwohl diese Erinnerungen alle erschreckend verblasst waren, doch sie war nicht mehr das unschuldige, freche Mädchen, das mit Greg Streiche ausgeheckt hatte und auf Partys gegangen war.
»Ich wohne in der Stadt, aber ich bin gerade erst eingezogen ... Ich weiß die Telefonnummer nicht auswendig.« Das zumindest stimmte. Bitte lass mich in Ruhe!, fügte sie im Geiste hinzu. Wenn sie nicht befürchtet hätte, ihm in der Kleinstadt öfters über den Weg zu laufen, hätte sie ihn angelogen.
Sie wusste nicht, warum sie den dringenden Wunsch verspürte wegzulaufen, sie wusste nur, dass sie sich von diesem Geist der Vergangenheit so fernhalten wollte wie möglich.
»Gut, ich stehe jedenfalls im Telefonbuch«, erklärte Greg unbeeindruckt. Leise fügte er hinzu: »Ich hab dich vermisst, Cathy.«
Und ich mich erst, dachte Turquoise. Sie vermisste Cathy mehr als jeder andere.
»Wir sehen uns«, sagte sie, als Greg seinen Einkaufskorb hochhob.
»Ja, wir sehen uns.«
Sobald er sich umgedreht hatte, floh sie aus dem Gang. Eric erledigte schnell ihre Einkäufe und ebenso schnell bezahlten sie und eilten zu Turquoises Auto.
»Wer war denn das?«, wollte Eric wissen.
»Ein alter Freund«, antwortete Turquoise ausweichend. Sie sah zum Laden, konnte Greg von ihrem Parkplatz aus aber nicht sehen.
Eric wandte sich mit besorgtem Blick zu ihr um. »Er hat mit dir geredet, als ob ihr euch nahegestanden hättet.«
»Er und Cathy haben sich nahegestanden«, berichtigte Turquoise.
Eric runzelte die Stirn. »Bist du nicht Cathy?«
»Nein«, widersprach Turquoise. »Cathy war ... dumm. Sie konnte sich nicht verteidigen. Wohltuend unwissend«, fügte sie trocken hinzu.
»Unschuldig. Nicht dumm.«
»Und was macht dich so weise?«, grollte Turquoise, mehr zu sich selbst. Sie ließ den Motor an und versuchte, das Gespräch zu beenden.
Doch Eric ließ das Thema nicht fallen, sondern beantwortete ihre Frage. »Die Vampire verhalten sich wie du«, sagte er, »und ich habe eine Menge Zeit mit ihnen verbracht. Du willst nicht an Cathy denken, weil sie Schwächen hatte. Du bist eine Jägerin, du darfst keine Schwächen haben. Ein Raubtier will nicht zugeben, dass es möglicherweise einmal zur Beute werden könnte.« Leise fügte er hinzu: »Und vielleicht möchtest du auch nur nicht daran denken, dass das Mädchen, das mit Greg ausgegangen ist, fähig ist zu töten.«
Turquoises Knöchel waren ganz weiß, weil sie das Lenkrad so fest umkrampfte.
Sie unterdrückte einen scharfen Tadel, denn sie erinnerte sich rechtzeitig daran, dass sie ihn freiwillig mitgenommen hatte. Sie war nicht dazu gezwungen worden.
»Cathy hätte nicht einmal eine Spinne auf ihrem Nachttisch töten können«, meinte sie angespannt. »Sie war schwach – und Daryl hat sie zerstört.«
»Du bist Cathy«, stellte Eric noch einmal fest. »Daryl hat sie nicht zerstören können. Er hat sie nur härter gemacht und er hat ihr Angst eingejagt ... Ja, Angst«, fuhr er fort, ihren Protest ignorierend. »Cathy brauchte nicht zu jagen, weil sie keine Angst vor dem Leben hatte.«
»Gut, dann habe ich eben Angst«, grummelte Turquoise. »Aber ich kann nicht zurück. Ich weiß, was da draußen vor sich geht, und das alles wird nicht verschwinden, nur weil ich ihm den Rücken kehre.«
»Du würdest lieber zugeben, dass Daryl gewonnen hat, als dass du je selbst Beute warst«, stellte Eric fest.
»Daryl hat gewonnen
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