Die Vampirverschwoerung
eine gute Idee«, sagte er. »Sie kann sie mit nach Europa nehmen.«
Lucy verschlug es den Atem und Olivias Eltern wechselten einen besorgten Blick.
»Wir wissen, wie schwer es für dich ist, dass Lucy wegzieht, Olivia«, sagte Audrey liebevoll.
Lucy starrte eine ganze Weile lang wortlos auf die gelbe Blume auf ihrem Finger.
»Noch nie ist etwas schwerer für mich gewesen«, räumte sie leise ein.
Dann klebte sie mit einem tiefen Seufzer vorsichtig die Blume auf Olivias Vase.
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Olivia balancierte auf den Stahlkappen von Lucys Stiefeln auf einer der oberen Leitersprossen. Sie musste sich strecken, um die letzte blutrote Rose an dem losen Netz aus Silberdraht zu befestigen, das sie und ihr Vater, seinem Entwurf entsprechend, um den Weihnachtsbaum gewickelt hatten. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie er ganz unten noch ein paar Kerzen zwischen den Zweigen verteilte.
Sie schmückten jetzt seit fast zwei Stunden, und Olivia musste zugeben, dass der fertige Baum noch viel atemberaubender war, als sie erwartet hatte. Abgesehen von dem glitzernden Drahtnetz waren der einzige andere Schmuck helle Kerzen und rote Rosen. Es war die perfekte Mischung aus komplexem Design und schlichter Dekoration.
Das einzig Dumme war, dass sie und ihr Dad die ganze Zeit konzentriert gearbeitet und kaum miteinander gesprochen hatten, auÃer als er ihr gesagt hatte, dass die silbernen Weihnachtsbissen erst ganz zum Schluss dazu kämen. Sie wusste noch nicht einmal, was »Weihnachtsbissen« waren.
Olivia versuchte, sich ein Gesprächsthema einfallen zu lassen. Sie konnte ja nicht mit Mr Vega darüber reden, warum er nach Europa zog oder dass er ihr Vater war. Noch nicht einmal den Baum durfte sie allzu begeistert loben, denn schlieÃlich gab sie sich ja für ihre schmallippige Gruftischwester aus, die immer noch irgendwie sauer auf ihren Vater war. Allerdings schien Mr Vega sowieso völlig in seine eigenen Gedanken versunken.
»Ich denke, jetzt können wir die Weihnachtsbissen aufhängen«, verkündete ihr Vater plötzlich und verschwand in der Küche, um sie zu holen.
Während sie die Leiter hinabstieg, versuchte Olivia sich vorzustellen, was Weihnachtsbissen sein konnten. Vampirzähne, die im Dunkeln leuchten? Rote Fleischbrocken?
Ihr Vater tauchte mit einem kleinen Stapel notizbuchgroÃer Schachteln auf.
SüÃigkeiten aus Menschenfleisch? Sie hielt den Atem an, als er eine Schachtel öffnete und eine Reihe kleiner in Folie verpackter Schokoladenkegel zum Vorschein kam.
Die sehen ja fast so aus wie unsere Schokoladenzapfen, dachte Olivia und entspannte sich.
Ihr Vater reichte ihr ein paar Bissen und nahm selbst einige. Als Olivia begann, sie zwischen den süà duftenden Rosen aufzuhängen, bemerkte sie, dass alle unterschiedliche Berufe darstellten. Es gab einen Bäcker mit einem winzigen Kopf und einer bauschigen weiÃen Mütze. Und einen kleinen Arzt, dem ein Stethoskop vor dem dicken Bauch hing. Und einen bärtigen Mann mit einer Schaufel, von dem Olivia annahm, dass es ein Totengräber war.
Die sind groÃartig! Olivia schmunzelte.
»Die Tradition der Weihnachtsbissen fandest du früher immer lustig«, ertönte plötzlich die Stimme ihres Vaters, der fast klang, als spräche er mit sich selbst. »Als du noch ganz klein warst, hast du immer mit ihnen Tee getrunken. Du hattest ganz genaue Vorstellungen. Der
Lehrer musste neben dem Bauarbeiter sitzen und so weiter. Und dann, gerade wenn es sich deine winzigen Gäste bequem gemacht hatten, kam das, was dir am meisten Spaà machte.« Ein Lächeln erstrahlte auf seinem Gesicht. »Du hast ihnen allen die Köpfe abgebissen.« Er nickte in Erinnerungen schwelgend vor sich hin. »Und wie du gelacht hast, wenn das Blut spritzte.«
Olivia sah die Bissen in ihrer Hand an.
Die sind mit Blut gefüllt?, fragte sie sich. Ihr wurde ganz schlecht.
Nachdem er einen Moment geschwiegen hatte, sah Mr Vega Olivia an und sein Lächeln verschwand.
»Die ganze Zeit über, die wir jetzt den Baum geschmückt haben«, sagte er mit gequälter Stimme, »habe ich überlegt, wie ich dich um Entschuldigung bitten kann, Lucy.«
»Wofür?« Olivia zitterte. »Dafür, dass ich dich von hier wegbringe. Aus diesem Haus, von deinen Freunden, vonâ¦Â« Seine Stimme erstarb und er schüttelte den Kopf. »Ich möchte hier auch nicht weg. Diese
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