Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
Vom Netzwerk:
vertraute.
    Über Iains Gesicht flog ein Schatten, den Dylan nicht zu deuten vermochte. »Er lebt noch und hält sich irgendwo in der Burg auf. Wahrscheinlich schläft er. Er ist ein alter Mann und lange nicht mehr so zäh und kräftig, wie er einst war.«
    Dylan konnte nur hoffen, dass Malcolm nicht ernsthaft krank war. Anscheinend verfiel er rasch. Vor zwei Jahren noch war er ebenso gesund und munter gewesen wie alle anderen. Bewohner des Tals.
    Immer mehr Männer gesellten sich zu ihnen in die große Halle. Auch Iains drei Hunde kamen zur Tür hereingesprungen, schüttelten sich und forderten leise jaulend ihr Abendessen. Dylan grinste breit und rief laut: »Sigurd! Siggy!« Einer der Collies, der schwarze mit dem weißen Bauch, spitzte die Ohren, blickte auf und begann zu zittern. Er konnte Dylan nicht sehen, aber seine Nase zuckte, während er sich angestrengt bemühte, inmitten all dieser Menschen einen bestimmten Geruch zu erschnuppern. Er lief ein Stück in die Halle hinein, konnte Dylan aber immer noch nicht in der Menge ausfindig machen.
    »Yo! Siggy!«
    Der Ruf verriet dem Hund die Richtung, in der er Dylan suchen musste. Er fuhr herum, raste durch die Halle und wäre beinahe gegen Dylans Bank geprallt. Im letzten Moment sprang er hoch und legte Dylan die Vorderpfoten auf den Schoß. Sein Schwanz peitschte durch die Luft, und er zitterte vor Wiedersehensfreude am ganzen Körper. Doch als Dylan kommandierte: »Suidh!«, ließ er sich gehorsam auf dem Boden nieder, obgleich er viel lieber auf Dylans Schoß gesprungen wäre und ihm das Gesicht abgeschleckt hätte.
    Dylan lachte laut auf und beugte sich zu dem Hund hinunter, um ihn hinter den Ohren zu kraulen. Siggy versuchte ihm die Hand zu lecken und wedelte dabei immer noch heftig mit dem Schwanz, aber er blieb liegen, so wie es ihm befohlen worden war.
    »Ich nehme an, du willst mir nach meiner Tochter nun auch noch meinen Hund wegnehmen«, grunzte Iain. Seine Stimme klang nur eine Spur schärfer als zuvor.
    Doch der beißende Sarkasmus in Artairs Stimme war nicht zu überhören, als er bemerkte: »Wie überaus passend! Der Hund hat ja einmal Alasdair gehört, genau wie das Land, das Dylan an sich gerissen hat.«
    Dylan kniff die Augen zusammen und holte tief Atem. Jetzt fing dieses Theater wieder von vorne an! Artair betrachtete Dylan aLs Rivalen um den Posten als Iains Nachfolger, und das aus gutem Grund. Obwohl Artair der Halbbruder Iains und nach den Regeln der Erbfolge sein alleiniger Erbe war, wenn es keinen noch lebenden Sohn oder Enkel aus der männlichen Linie gab, hatte Iain deutlich durchblicken lassen, dass er gerne den Sohn seiner Tochter als künftigen Laird sähe. Nach Dylans Verlobung mit Cait hatte Iain den Clan darin bestärkt, ihn als seinen Erben zu betrachten, denn Dylan war allem Anschein nach Iains Vetter ersten Grades und somit nach Artair der Nächste in der Erbfolge. Nur Dylan und Sinann wussten, dass er gar nicht der Sohn von Iains Onkel Roderick war. Ein direkter Nachfahr zwar schon, aber fünfzehn oder zwanzig Generationen später.
    Iain wandte sich ungehalten an Artair. »Ich sage, es ist eine gute Sache, dass sich das Land wieder im Besitz des Clans befindet, mein Junge. Nichts und niemand kann uns Alasdair zurückbringen, aber dank Dylan haben wir wenigstens sein Land wieder.«
    Dylan hörte auf, Siggy zu kraulen, blickte auf und musterte Iain forschend, aber das Gesicht des Lairds verriet nicht, was er dachte. Wollte ihn Iain schließlich doch noch zu seinem Erben einsetzen? Dem frostigen Empfang nach zu urteilen, hätte Dylan das nicht erwartet. Doch als er zu Artair hinüberschielte bemerkte er, dass der junge Mann offenbar kurz vor einem Wutausbruch stand. Artair war für sein hitziges Temperament bekannt und hatte einmal sogar versucht, Dylan eine Kugel in den Kopf zu jagen. Dylan berührte sein rechtes Ohr. Zum Glück hatte ihm die Kugel nur ein Stückchen Fleisch weggerissen. Aber er wusste jetzt, dass er vor seinem alten Widersacher noch immer auf der Hut sein musste.
    Er drehte sich wieder zu seinen Männern um, aß und lauschte dabei seinen Verwandten, die ihm erzählten, was in den vergangenen beiden Jahren alles geschehen war. Nach Dylans Verhaftung hatten die Engländer das Tal abgeriegelt und niemandem gestattet, es zu betreten oder zu verlassen. Auch dem Priester wurde der Zugang nach Glen Ciorram verwehrt, und wenn sich die Gemeinde zum Gebet versammelte, wurde sie von den Soldaten auseinander getrieben.

Weitere Kostenlose Bücher