Die Verbannung
sie mit irgendeiner gewöhnlichen Frau gleichsetzt, beleidigt sie und mich dazu und wird dafür von mir zur Rechenschaft gezogen werden.«
Artair schnaubte verächtlich. »Glaubst du, sie wäre einzig und allein für dich geschaffen worden?«
Dylan schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich glaube es nicht, ich weiß es. Ich weiß es so sicher, wie ich weiß, dass genau in dieser Minute eine Fee über deinem Kopf schwebt.« Sinann kicherte. »Als Gott Cait zur Erde sandte«, fuhr Dylan fort, »da sagte er sich: Für Dylan Matheson kommt nicht irgendeine beliebige Frau infrage. Sie muss die zarteste Haut, das reinste Herz, die Stimme eines Engels und einen unbezwingbaren Willen haben.« Er blickte zu Iain hinüber. »Aye?«
Caits Vater nickte lächelnd. »Aye, das ist meine Cait.«
»Was ist eigentlich mit Ramsay?«, wollte Robin wissen.
Jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um mit der hässlichen Wahrheit über diese nie vollzogene Ehe herauszurücken, obwohl Robin sein Freund war und es früher oder später doch erfahren würde. Aber Dylan zuckte nur die Schultern und sagte: »Ramsay und Cait wurden nicht in einer katholischen Kirche getraut. Die Ehe ist also ungültig.«
Alle blickten daraufhin zu Iain, dessen Gesicht rot anlief. Dies war eine überraschende Enthüllung für den Clan.
Iain nickte. »Er sagt die Wahrheit. Ramsay weigerte sich, einer katholischen Zeremonie zuzustimmen. Sie haben in einer presbyterianischen Kirche geheiratet.«
Artair holte vernehmlich Atem. »Dann war sie also nie ...«
»Außerdem«, Dylan beugte sich drohend vor und fasste Artair scharf ins Auge, »finde ich es ungesund, wenn ein Onkel sich über Gebühr für das Privatleben seiner Nichte interessiert. Wen sie heiratet und wie und ob sie einfach nur irgendeine Frau oder ein Geschenk Gottes ist, das geht nur sie und ihren Vater und ihren zukünftigen Ehemann etwas an.« Er lehnte sich zurück und hoffte, das Thema damit ein für alle Mal abgehakt zu haben.
Artair warf Iain einen verstohlenen Blick zu, verschränkte die Arme vor der Brust und verstummte.
Der Abend verstrich, und nach und nach wickelten sich Dylans Männer in ihre Plaids und legten sich vor dem Feuer zum Schlafen nieder. Erst als der letzte Clansmann heimgegangen und das Feuer fast schon heruntergebrannt war, streckte auch Dylan sich auf dem Boden aus und fiel in einen totenähnlichen Schlaf.
Trotzdem erwachte er noch vor Tagesanbruch. Es gab noch etwas, was er zu erledigen hatte, und das musste er allein tun. Er blickte zu Sinann hinüber. Ganz allein. Ohne die Fee, die auf einem Stuhl schlief, zu wecken, schlich er sich aus der großen Halle. Sigurd erhob sich und folgte ihm lautlos.
16. KAPITEL
Dylan machte sich auf zu dem alten Turm. Dabei nahm er die Abkürzung zwischen den Hügeln hindurch. Früher einmal hätte ihn der Marsch sehr angestrengt, aber heute machte ihm das nichts mehr aus, und der Weg entlang des Flusses, der sich zwischen den bewaldeten Hügeln im Norden hindurchschlängelte, beinhaltete nur einen kurzen Anstieg. Im grauen Dämmerlicht zeichnete sich der Turm als schwarzer Schatten gegen den Himmel ab. Dylan erschauerte, teils vor Kälte, teils weil dieser Ort für ihn mit vielen Erinnerungen verbunden war, die entscheidenden Einfluss auf sein Leben gehabt hatten. Hier hatte Sinann ihn in die Geheimnisse der Magie eingeweiht und ihm Gälisch beigebracht. Und später hatte er unter den knorrigen Ästen der Eiche, die in das Innere des Turmes hineinragten, mit Cait ihren Sohn Ciaran gezeugt.
Er rieb über die Gänsehaut an seinen Armen und betrat den Turm. Sigurd legte sich draußen vor dem Eingang ins Gras. Dylan ging zu einem großen Felsbrocken in der Mitte des Turminneren, hob ihn unter Aufbietung all der Kraft, die er nach der langen, durchzechten Nacht noch aufbringen konnte, am Rand an und kippte ihn zur Seite. Dann musterte er den schlammigen Boden prüfend.
Einen furchtbaren Moment lang dachte er, die Geldstücke wären nicht mehr an ihrem Platz. Hastig grub er die Finger in das Erdreich. Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihn, als er auf eine der Goldguineen stieß, die er auf der Flucht vor den Sassunaich hier vergraben hatte. Nach und nach förderte er alle fünf Münzen zu Tage, wischte sie mit Gras sauber und verstaute sie in seinem Geldbeutel.
Dann nahm er seinen letzten Zimttoffee aus dem sporran, wickelte ihn aus und schob ihn sich in den Mund. Dieses Bonbon hatte er sich aufgehoben, weil er wusste, dass
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