Die Verbannung
breites Grinsen trat auf sein Gesicht, er klopfte Dylan auf die Schulter und rief dann laut und vernehmlich: »Och, Söhnchen, warum hast du mir das denn nicht gleich gesagt? Komm herein! Komm herein und setz dich mit mir ans Feuer!«
Ein erleichtertes Seufzen ging durch die Menge. Dylans Männer und die Wachposten schoben ihre Waffen in die Scheiden zurück. Iain legte Dylan den Arm um die Schulter und führte ihn an den versammelten Burgbewohnern vorbei in den Burghof. Die Männer traten zur Seite und flüsterten aufgeregt miteinander, während sie den beiden hinterherschauten.
Und dann sah er sie. Sie stand an der mächtigen Tür zur großen Halle und blickte ihm entgegen. Sie trug ein schlichtes hellblaues Überkleid, das ihre Formen sanft betonte, und hatte auf das einengende Mieder verzichtet, das sie in Ramsays Haus hatte tragen müssen. Ihre Augen leuchteten bei Dylans Anblick so freudig auf, dass er schlucken musste. Dann raffte sie ihre Röcke und lief auf ihn zu. Als sie ihm die Arme um den Hals warf, drückte er sie so fest an sich, dass sie einen leisen Schrei ausstieß, bevor er sie leidenschaftlich küsste.
»Ich wusste, dass du kommen würdest«, flüsterte sie ihm mit erstickter Stimme ins Ohr. »Ich wusste es!« Tränen rannen ihr über die Wangen und benetzten sein Gesicht. Dylan konnte nur mit Mühe verhindern, dass auch seine Augen feucht wurden. Ein dicker Kloß bildete sich in seiner Kehle, und er presste sie noch enger an sich. Am liebsten hätte er sie nie wieder losgelassen.
Aber dann kam Iains Bruder Artair auf sie zu und legte eine Hand auf Caits Arm. »Komm, Caitrionagh. Dein Vater wird Marc losschicken, um Vater Buchanan zu holen; er wird voraussichtlich morgen hier sein. Aber heute Nacht musst du in deiner Kammer bleiben.«
Cait machte sich unwillig los. »Ich werde tun, was mir beliebt, Onkel.« Dylan nahm ihre Hand, doch Artair packte sie erneut am Arm.
»Lass sie los, Junge«, befahl Dylan drohend.
In diesem Moment erhielt er einen kräftigen Schlag auf den Rücken, und Iain dröhnte mit aufgesetzter Heiterkeit: »So ein ungeduldiger Bursche! Ich hoffe, du erwartest nicht, dass ich dich unter meinem Dach bei meiner Tochter schlafen lasse, solange ihr noch nicht verheiratet seid. Das werde ich nämlich nicht dulden, auch wenn du es noch so angestrengt versuchst.« Die Bemerkung rief allgemeines Gelächter hervor, den Iains Tonfall besagte deutlich, dass es schon früher derartige Versuche gegeben hatte.
Dylan sah ein, dass er in diesem Punkt nachgeben musste, zumindest für diese Nacht. Seufzend nickte er, dann tätschelte er Caits Hand und küsste sie. »Dein Vater hat Recht. Du musst gehen.« Ein Lächeln spielte um seine Lippen, er beugte sich vor und flüsterte ihr auf Englisch ein Shakespeare-Zitat zu: »Schlaf wohn' auf deinem Aug', Fried' in der Brust! O war' ich Fried' und Schlaf und ruht' in solcher Lust!«
Cait lächelte und küsste ihn noch einmal, ehe sie sich von Artair zu ihrer Kammer im Westturm geleiten ließ und Dylan sich mit den anderen Männern in die große Halle begab.
Es sah so aus, als hätte sich der gesamte Clan heute Abend dort versammelt. Dylan und seine Männer wurden durch die hohen Türen und an dem Holzgestell, an dem die Waffen hingen, vorbei in den riesigen Raum gedrängt. Eine Welle von Erinnerungen schlug über Dylan zusammen, und seltsamerweise fühlte er sich, als sei er nach Hause gekommen, obwohl er nur wenige Monate in der Burg gelebt hatte.
Die Halle wurde von zahlreichen Fackeln so hell erleuchtet, dass sogar die hohen Deckenbalken deutlich zu erkennen waren. Tische und Bänke standen auf dem mit Stroh und Binsen bedecktem Steinfußboden. In dem gewaltigen Kamin am Ostende prasselte ein helles Feuer. Ein paar Frauen eilten geschäftig zwischen Küche und Halle hin und her und trugen Platten mit Bannocks und Käse auf, denn für frisches Fleisch war es noch zu früh im Jahr und für gesalzenes zu spät. Dafür gab es Ale im Überfluss, und schon bald machten mehrere Humpen die Runde. Dylans Männer nahmen auf den Bänken Platz und fielen wie ausgehungerte Wölfe über das Essen her. Draußen im Burghof ertönten wehmütige Dudelsackklänge, während Dylans Leute und die Iains sich gegenseitig ihre Namen nannten und erste zaghafte Gespräche anknüpften.
»Wo steckt denn Malcolm?«, fragte Dylan, an Iain ge-wandt. Malcolm Taggart war Iains Vetter und engster Berater - und einer der wenigen Männer in der Burg, denen Dylan vollkommen
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