Die Verbannung
Weg zur Burg fortsetzten. Robin war ein guter Mann und ein treuer Freund. Er freute sich schon auf das Wiedersehen mit ihm.
Immer mehr Menschen versammelten sich am Straßenrand. Ein kleiner Junge rannte schnurstracks auf die Gruppe zu, und ehe die Dorfbewohner bemerkten, was er vorhatte, war es schon zu spät, um ihn zurückzuhalten. Ein paar Meter vor Dylan blieb er stehen. Er war ungefähr acht Jahre alt. Dylan erinnerte sich kaum noch an sein Gesicht. Auch er blieb stehen und blickte auf den Jungen hinunter. »Eóin?«
Der Kleine grinste. »Dylan!« Dann drehte sich Eóin Matheson, der Sohn des verstorbenen Alasdair Matheson, um und brüllte aus Leibeskräften: »Es ist Dylan! Er ist wieder da! Es ist Dylan!« Der kleine Eóin war groß und kräftig für sein Alter geworden, und Dylan klopfte ihm liebevoll auf den Rücken.
Jetzt lösten sich auch die anderen aus ihrer Erstarrung und kamen schüchtern näher. »Dylan?« Alle Gesichter strahlten vor Wiedersehensfreude. Die Männer schlugen ihm auf die Schulter. Tormod Matheson drängte sich vor, und während die Menge Dylan zur Burg begleitete, gesellten sich immer mehr Clansmitglieder dazu. Lange vergessen geglaubte Namen fielen Dylan plötzlich wieder ein: Coinneach Matheson, Dùghlas Matheson, Marc Hewitt, Colin Matheson. Er erkannte auch die Frau von Myles Wilkie wieder. Myles war 1714 wegen des Mordes an Seóras Roy Matheson, des Mannes der inzwischen verstorbenen Marsaili, gehängt worden. Nana rannte mit wogenden Brüsten auf ihn zu und begann so schnell auf ihn einzuschnattern, dass er nur die Hälfte verstand, Eóins Mutter kam völlig außer Atem angelaufen. »Dylan?« Er blickte auf, und das Herz wurde ihm schwer, als er den altvertrauten Ausdruck hündischer Ergebenheit in ihren Augen sah. Nervös schob sie eine Flechte kastanienbraunen Haares unter ihr Kopftuch zurück. Die arme Sarah Matheson war kurz nach Dylans Ankunft in der Vergangenheit von Sinann mit einem Liebeszauber belegt worden, unter dem sie anscheinend immer noch litt. Leider hatte er ihre Zuneigung schon damals nicht erwidert und konnte es auch heute nicht tun.
Höflich nickte er ihr zu. »Sarah.«
»Du siehst gut aus.« Ganz offensichtlich war ihr Überschwang während seiner Abwesenheit ein wenig abgekühlt. Früher hätte sie ihm schluchzend die Arme um den Hals geschlungen, heute hatte sie sich besser unter Kontrolle, obwohl ihre Gefühle deutlich von ihrem Gesicht abzulesen waren.
»Es geht mir auch gut, danke.« Doch dann zuckte Dylan zusammen und grinste, als Ranald bei seinem Anblick freudig aufkreischte, irgendetwas von Seehunden vor sich hin plapperte und dabei wild mit den Armen durch die Luft fuchtelte. Dylan umarmte den geistig zurückgebliebenen Halbwüchsigen kurz und ging dann weiter. Es war gut, wieder zu Hause zu sein.
Doch als er die Zugbrücke zu der Insel betrat, auf der Tigh a'Mhadaidh Bhäin lag, blieb die Menge zurück. Die Burg des Lairds von Ciorram war ein halb verfallenes graues Relikt aus einem früheren Jahrhundert, das schon lange nicht mehr als militärisches Bollwerk genutzt wurde, sondern lediglich als Wohnsitz des hiesigen Lairds diente. Dylan holte tief Atem, als er mit seinen Männern die Zugbrücke überquerte und über den schmalen, ausgetretenen Pfad auf das Torhaus zuschritt.
Im Burghof wurden sie schon von einer Anzahl mit Schwertern, Dolchen und Gewehren bewaffneter Männer erwartet. Anscheinend hatte man Iain bereits von seiner Ankunft unterrichtet, und Dylan vermutete, dass Caits Vater darüber weit weniger erfreut war als der Rest des Clans. Er wies seine Männer an, vor dem geöffneten Tor stehen zu bleiben.
»Iain Mór!«, rief er laut.
Niemand antwortete. Dylan machte Anstalten, noch einmal nachdrücklicher nach dem Laird zu rufen, doch da trat Robin Innis vor und winkte ab. »Er ist schon auf dem Weg hierher.« Dylan nickte seinem alten Freund zu. Er wünschte, sie könnten einander einfach begrüßen und dann bei einem Krug Ale Neuigkeiten austauschen. Die Spannung, die in der Luft lag, gefiel ihm nicht. Robin fragte mit gedämpfter Stimme, damit ihn die anderen nicht hören konnten: »Alles in Ordnung bei dir?«
Dylan nickte und wartete weiter geduldig ab.
Kurz darauf bahnte sich ein hoch gewachsener, kräftig gebauter Mann einen Weg durch die Menge. Iain Mór trug das Schwert mit dem silbernen Heft, das er von seinem und Dylans gemeinsamem Vorfahr geerbt hatte. Dieser hatte es von König James I. von England als Belohnung
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