Die Verbannung
hieß. Der Mann war in Zivil. Heiße Wut stieg in Dylan auf. Er reichte Cait den Becher und ging schnurstracks auf den Eindringling zu.
»Seid Ihr verrückt?«, zischte er leise auf Englisch.
MacCorkindale zwinkerte verdutzt, dann erwiderte er auf Gälisch: »Wie bitte?«
»Habt Ihr den Verstand verloren?«, fragte Dylan wieder auf Englisch. »Ihr könnt doch nicht seelenruhig hier auftauchen, als würdet Ihr nicht zum feindlichen Lager gehören!«
Der Leutnant errötete und wechselte ins Englische. Seine Stimme klang scharf. »Nur ein Verräter würde mich als Feind bezeichnen.«
»Ihr seid ein Schotte und noch dazu katholisch. Also wisst Ihr ganz genau, was ich meine. Ihr könnt in Zivil hier auftauchen - von mir aus sogar in einem Kilt -, aber für die Leute hier seid und bleibt Ihr ein Rotrock und gehört somit zu den Besatzern, die ihre Verwandten getötet und ihre Pferde, ihr Vieh und ihr Land gestohlen haben. Ich schlage daher vor, dass Ihr schleunigst von hier verschwindet, bevor Euch etwas passiert.«
MacCorkindale bedachte ihn mit einem kühlen Blick. »Danke für den guten Rat.«
»Beherzigt ihn lieber.«
Lange Zeit herrschte Schweigen. Der Leutnant starrte ins Feuer. Orangefarbene Pünktchen tanzten in seinen Augen. Endlich sagte er: »Als Junge bin ich zu Samhain oft über das Feuer gesprungen. Ich konnte noch so betrunken sein, den Sprung habe ich immer gewagt und bin mehr als einmal mit dem Hintern im Dreck gelandet.« Ein leises Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
»Ich bin untröstlich über den Verlust Eurer kulturellen Wurzeln, aber Ihr habt diese Uniform aus freien Stücken gewählt. Und jetzt geht!«
Der Leutnant ließ die Schultern hängen. »Es tut mir Leid, dass Ihr so denkt. Ich hatte gehofft, Ihr würdet für Euren sonntäglichen Unterricht noch einen weiteren Schüler annehmen.«
Jetzt sah Dylan rot. Ergrimmt spuckte er MacCorkindale vor die Füße. »Wie könnt Ihr es wagen, Ihr ... Ihr ...« Er holte tief Luft, nahm sich zusammen und fuhr mit etwas ruhigerer Stimme fort: »Ich hasse die englische Armee genauso abgrundtief wie alle anderen hier, und ich werde niemals einen von Georges Männern in asiatischen Kampftechniken ausbilden. Geht nach China, wenn Ihr solche Dinge lernen wollt! Ich bringe sie Euch nämlich nicht bei.«
MacCorkindales Gesicht verfinsterte sich. »Und wenn ich Euch verhaften lasse?«
Dylan hob die Hände. »Nur zu, tut Euch keinen Zwang an. Trotzdem werde ich Euch nicht meine Art zu kämpfen beibringen. Und jetzt verschwindet, bevor jemand anfängt, sich für Euch zu interessieren. Er könnte zu dem Schluss kommen, dass Ihr, da Ihr ja keine Uniform tragt, ein hübsches Ziel für ein paar Steine abgeben könntet. Oder sogar für eine Kugel. Wäre das nicht nett? Und danach würde es ein blutiges Gemetzel geben - und das alles nur, weil Ihr Lust hattet, über das Beltanefeuer zu springen.«
Der Leutnant presste die Lippen zusammen, drehte sich wortlos um und verschwand in der Dunkelheit.
Plötzlich ertönte Artairs Stimme laut und vernehmlich: »Na, Dylan,hast du ein Schwätzchen mit deinem rot berockten Freund gehalten?«
Dylan schloss stöhnend die Augen.
20. KAPITEL
Dylans Pläne in Bezug auf seine Schafe stießen auf allgemeines Unverständnis. Während die anderen Bauern ihre Tiere mit Teer und Butter einrieben, trug Dylan erbitterte Wortgefechte mit seiner Frau aus, die darauf beharrte, dass die Schafe ohne Schutz vor Ungeziefer und Kälte eingehen würden. Sie stand, eng in ihren Umhang gehüllt, neben ihm, während er Steine übereinander stapelte, um direkt hinter dem Haus einen Pferch abzuteilen. Es war eine langwierige, anstrengende Arbeit, bei der ihm niemand half, weil ihn alle für verrückt hielten.
»Sie werden sterben. Alle Schafe, die mein Vater uns gegeben hat, werden sterben, und wir haben im Winter keine warme Kleidung.« Die Angst, die in ihrer Stimme mitschwang, schnitt ihm ins Herz, doch er durfte in diesem Punkt nicht nachgeben. Er wusste, was nach den nächsten zwei Aufständen auf die Leute hier zukommen würde, und er wusste auch, dass seine Kinder und Enkel nur überleben konnten, wenn sie neben Haferanbau und Viehzucht noch über eine andere Einkommensquelle verfügten. Die Wollproduktion wollte er unter anderem auch deshalb steigern, um den Überschuss an den daraus gefertigten Stoffen in Glasgow oder Inverness verkaufen zu können. Ramsay mochte ja ein elender Schuft gewesen sein, doch in einem Punkt hatte er Recht
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