Die Verbannung
Getreide stand gut; die hohen grünen Ähren raschelten leise im Wind. Langsam schritt er auf der Suche nach weiteren pelzigen Übeltätern die Pfade zwischen den einzelnen Feldern ab.
»Der Sabbat ist ein Ruhetag!«
Dylan nickte. »Ein Tag des Gebetes und der inneren Einkehr, den man mit seiner Familie und seinen Freunden verbringen sollte.« Er nahm einen Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn auf die Sehne seines Bogens, falls er in dem jungen Hafer einen Hasen aufspüren sollte. Einen Moment lang wünschte er, er könnte die Spitze in die Kehle dieses düsteren schwarzen Raben hinter ihm bohren. Doch er schüttelte diese Vorstellung rasch ab und empfand wieder einmal aufrichtige Trauer über Vater Buchanans Tod.
»Eure Lehren dienen dazu, die Männer auf Krieg und Töten vorzubereiten«, beharrte Turnbull.
Dylan hatte sich inzwischen seine eigene Meinung über diesen Priester gebildet, dessen Predigten fast ausschließlich darauf abzielten, die Gemeinde zu obrigkeitsergebenen, gesetzestreuen Bürgern zu erziehen, doch die behielt er wohlweislich für sich. Stattdessen sagte er: »Die Übungen sollen den Körper stählen, und wenn sie richtig ausgeführt werden, dann stärken sie auch den Geist. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, während meines Morgentrainings den Rosenkranz zu beten.« Das stimmte. Er hatte herausgefunden, dass er seine Ave-Marias und Vaterunser auch aufsagen konnte, ohne dabei die Perlen seines Rosenkranzes zu zählen, er passte sie einfach dem Rhythmus seiner Morgenübungen an. Dabei wechselte er ständig zwischen Latein, Englisch und Gälisch. Sowie er Rosenkranz und Aufwärmübungen beendet hatte, ging er zum eigentlichen Kampfprogramm über. Er hatte festgestellt, dass diese Kombination seine Konzentration förderte.
»Ich würde diese Übungen auch absolvieren, wenn ich wüsste, dass ich nie wieder einen Kampf bestreiten müsste«, erklärte er dem Priester. Auch das entsprach der Wahrheit. Er hatte fast sein gesamtes Erwachsenenleben mit dem Studium asiatischer Kampftechniken verbracht, obwohl er gewusst hatte, dass er diese in der relativ friedlichen Kleinstadt in Tennessee, in der er gewohnt hatte, einzig und allein in seinem Studio oder bei Wettkämpfen einzusetzen brauchte.
»Ich bin entsetzt!«, japste Turnbull in einem Ton, der Dylan dazu veranlasste, stehen zu bleiben und sich umzudrehen. Tiefer Abscheu malte sich auf dem Gesicht des Priesters ab. »Der Rosenkranz ist heilig; er sollte mit Ehrfurcht und vor allem auf den Knien gesprochen werden!«
»Vater Buchanan sah das ganz anders. Er sagte immer, Gebete sollten sich nicht auf eine bestimmte Tageszeit und bestimmte Orte beschränken, sondern immer dann gesprochen werden, wenn die Menschen das Bedürfnis dazu haben. Er hatte kein Problem ... er hatte nichts dagegen einzuwenden, dass jeder aus seiner Gemeinde den Rosenkranz betete, wann er wollte.«
Er seufzte; über sich selbst erstaunt, dass er angesichts seiner methodistischen Erziehung diese Dinge überhaupt mit jemandem erörterte, und dann auch noch mit einem Priester! »Außerdem ist der Sonntagabend die einzige Zeit, wo die Männer sich mit etwas anderem als ihrer Arbeit beschäftigen können«, fuhr er fort. »Ich werde meine Übungsstunden auch weiterhin abhalten und jeden daran teilnehmen lassen, der das wünscht.« Er wandte sich ab und suchte die Felder erneut nach etwaigen Eindringlingen ab. Hoffentlich gab der Priester bald Ruhe. »Und ich glaube nicht, dass Ihr die Männer daran hindern könnt, zu meinem Unterricht zu kommen«, schloss er.
»Es gibt auch die Möglichkeit der Exkommunikation.«
Dylan drehte sich um und musterte den Priester scharf. Die Lippen des Mannes waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, die Brauen finster zusammengezogen, und in den Augen glomm ein fanatischer Funke. Dylan fiel auf, dass er Turnbull noch nie richtig hatte lächeln sehen. Das Lächeln dieses Mannes wirkte immer falsch und aufgesetzt. Stärker denn je vermisste er Vater Buchanans warmes, von Herzen kommendes Lachen. »Ihr würdet die Männer wirklich exkommunizieren? Nur weil sie lernen wollen, wie sie ihren Körper gesund und kräftig erhalten können?«
Turnbull hob das Kinn. »Ich habe darauf zu achten, dass Gottes Gebote eingehalten werden.«
»Ihr habt darauf zu achten, dass Eure persönliche Auslegung von Gottes Geboten eingehalten wird, meint Ihr.«
Der Priester schloss kurz die Augen. Seine Lippen kräuselten sich. »Im 2. Buch Mose steht:
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