Die Verbannung
erst ein paar Wochen schwanger und sich selbst noch gar nicht sicher.«
Dylan verzog das Gesicht. »Und du findest es richtig, dass sie die ganze Last alleine getragen hat?«
Die Fee nickte nur.
Dylan drehte sich um und wollte zum Haus zurückmarschieren. Cait war ihm eine Erklärung schuldig. Er war ihr Mann und hatte das Recht...
Sinanns Stimme hielt ihn zurück. »Wenn du gescheit bist, behältst du das, was du jetzt weißt, für dich. Dieses Kind ist weit über die Zeit hinaus, zu der sie das andere verloren hat, und sie schöpft allmählich Hoffnung. Wenn sich das Baby zu bewegen beginnt, dann könnt ihr anfangen, euch zu freuen. Aber auch dann solltet ihr euch keine allzu großen Hoffnungen machen. Sogar Ciaran ist noch nicht alt genug, um den Winter unbeschadet zu überstehen.«
Dylan drehte sich wieder zu Sinann um. Er fühlte sich plötzlich entsetzlich hilflos. Matt ließ er sich zu Boden sinken, als ihm eine furchtbare Tatsache bewusst wurde. Obwohl er über die hohe Kindersterblichkeitsrate in diesem Jahrhundert Bescheid wusste, hatte er jeden Gedanken daran, dass er seinen eigenen Sohn verlieren könnte, entschlossen verdrängt. Und jetzt waren sein ungeborenes Kind und auch Cait in Gefahr. Jetzt sah er, wie wenig Einfluss er auf das Wohlergehen seiner Familie hatte. Es gab hier keine vernünftig ausgebildeten Ärzte, und er hatte aus der Zukunft auch nur rudimentäre medizinische Kenntnisse mitgebracht.
Zwar wusste er, dass man Bakterien mit kochendem Wasser abtöten konnte und dass man Kranke isolieren sollte, um die Ansteckungsgefahr zu mindern, aber das war auch schon fast alles. Selbst wenn Cait ihm von ihrer früheren Schwangerschaft erzählt hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, sie davor zu bewahren, das Kind zu verlieren. Er blickte zu der Fee hoch. »Aber ich bin doch ihr Mann. Warum ...«
»Du bist ein Mann«, erwiderte sie. »Derartige Dinge gehen dich nichts an.«
Dylan fuhr sich seufzend mit den Fingern durch das Haar. Sinann schwieg, während er ein kurzes Gebet sprach, dann erhob er sich und ging wieder an die Arbeit.
Der 31. Oktober kam heran, der Tag, den viele immer noch für den Beginn des neuen Jahres hielten, so wie sie auch den Sonnenuntergang als Beginn eines neuen Tages ansahen. Der Tradition dieses Jahrhunderts gemäß entzündete Dylan hinter seinem Haus ein kleines Feuer, und Cait fertigte zwei Fackeln aus getrocknetem Heidekraut an. Dann gingen sie langsam, weil Ciaran noch recht unsicher auf seinen Beinchen war, dreimal entgegen dem Uhrzeigersinn um das Haus herum. Danach setzte sich Dylan den Kleinen auf die Schulter, und sie wanderten mit ihren brennenden Fackeln ins Dorf hinunter.
Überall im Tal flackerten kleine Feuer. In der Dämmerung sahen sie aus der Entfernung wie Halloweenlaternen aus. Die Luft war kühl und frisch, und fast der gesamte Clan schien auf den Beinen zu sein. Alle brachten Fackeln zu dem riesigen Feuer in der Mitte des Dorfes, ganz in der Nähe der Burg. Als Dylan mit seiner Familie dazukam, stellte er belustigt fest, dass viele Leute Masken trugen.
Nachdem er Ciaran abgesetzt und seine Fackel zu den anderen ins Feuer geworfen hatte, sprach ihn Marc Hewitt von hinten an. Er trug ein weißes Tuch mit Augenlöchern und der aufgemalten Fratze eines Totenschädels vor dem Gesicht. »Dylan, wo ist deine Maske? Die Geister der Toten können dich ja erkennen.«
Dylan grinste. »Ich fürchte mich vor niemandem, ob nun lebendig oder tot.« Marc lächelte nur hinter seiner Leinenmaske.
Wie bei den meisten Festen in Ciorram wurde auch hier bis in die Nacht hinein gegessen, gesungen und getanzt. Ein alter Mann, der als der beste Geschichtenerzähler im Tal galt, versetzte die Kinder und auch viele Erwachsene mit Geistergeschichten in Angst und Schrecken.
Ciaran schlief in Caits Armen ein. Sie holte einen Stuhl aus einem der Häuser, nahm ihn auf den Schoß und wiegte ihn, während sie den Liedern und Geschichten lauschte.
Dylan stand, einen Becher Ale in der Hand, neben ihr und verfolgte das Treiben, bis sein Blick auf einen Mann fiel, der ganz am Rand des Feuerscheins stand. Ein Schauer rann ihm über den Rücken, denn seine Gedanken kreisten ohnehin schon um Geister, und dieser Mann dort stammte ganz eindeutig nicht aus dem Tal. Er trug Kniehosen und stand ganz still da. Als Dylan genauer hinsah, erkannte er den Leutnant aus der Garnison, den rundgesichtigen Burschen aus Skye, der, wie er inzwischen erfahren hatte, Niall MacCorkindale
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