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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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vielleicht, dass sie wieder ausgegraben wird, sobald sich diese Nachricht im Tal verbreitet hat? Denk nur an die Soldaten in der Garnison. Du kannst ihr kein Gold mit ins Grab geben, wo so viele Fremde in der Nähe leben - und dazu noch Engländer, die uns und unsere Sitten nicht respektieren!«
    Dylan presste die Lippen zusammen, dann nickte er, zog das Kruzifix unter seinem Hemd hervor und befestigte den Ring wieder an der Leinenkordel, an der er so lange gehangen hatte. Langsam ließ er die Kordel wieder unter sein Hemd gleiten. Der Ring fühlte sich auf seiner Haut kalt an.
    Ciaran kletterte auf seinen Schoß, während Sile zu seinen Füßen auf dem Boden spielte. Sie schlug mit einer Flicken-puppe, die ihre Mutter ihr aus den Resten eines alten Hemdes von Dylan genäht hatte, immer wieder auf den mit Binsen bedeckten Boden und kicherte entzückt, wenn kleine Staubwolken aufstiegen. Ciaran kuschelte sich an seinen Vater und steckte einen Daumen in den Mund. Dylan hakte einen Finger um das Handgelenk des Jungen und zog den Daumen zurück. »Nein!« Sofort schob Ciaran den Finger in den Mund zurück. Dylan umschloss die Hand seines Sohnes mit der seinen. »Nein, habe ich gesagt.«
    Dann betrachtete er den Kleinen nachdenklich. »Du hast Angst, nicht wahr?« Ciaran nickte. Dylan begriff voller Entsetzen, dass die Kinder den Mord an ihrer Mutter mit angesehen hatten, und wünschte, dass er wüsste, wie mit einem solchen Trauma umzugehen war. Behutsam fragte er: »Als der böse Mann heute da war - hat er dich gesehen?« Ciaran schüttelte den Kopf. »Hast du dich versteckt?« Diesmal nickte der Junge.
    »Wo denn?«
    »In dem Fass. Mutter hat es mir gesagt.« Er deutete auf das Gerstenfass.
    »Hattest du große Angst?«
    Ciaran nickte. »Mutter hat den Eimer fallen lassen und das ganze Wasser verschüttet.«
    »Du warst mit deiner Schwester draußen, und Mutter hat euch ins Haus geschickt?«
    Wieder nickte der Junge. »Ja. Sie sagte, wir sollten ins Haus gehen und auf das Frühstück warten. Wir gingen hinein. Mutter kam nach, steckte uns in das Fass und sagte: >Verhaltet euch ganz ruhig und schaut nicht hin.<«
    »Aber du hast trotzdem hingeschaut?« Als Ciaran keine Antwort gab, sagte Dylan sanft: »Schon gut, Sohn. Es ist nicht schlimm, wenn du nicht gehorcht hast. Ich möchte nur wissen, was du gesehen hast. Du hast gesagt, ein Mann in einem roten Rock wäre gekommen?«
    »Ich habe so geguckt.« Ciaran legte Daumen und Zeigefinger vor die Augen, um seinem Vater zu zeigen, dass er den Deckel des Fasses ein bisschen angehoben und durch den Spalt gespäht hatte.
    »Guter Junge. Der böse Mann hat dich also nicht gesehen. Hast du die ganze Zeit zugeschaut?« Bitte sag Nein.
    Zu Dylans Erleichterung schüttelte Ciaran den Kopf. »Mutter wollte wieder nach draußen gehen, aber da kam der Mann ins Haus. Er hat etwas gesagt, aber ich habe ihn nicht verstanden.« Dylan nickte. Ramsay hatte natürlich Englisch gesprochen. »Dann schrie Mutter den Mann im roten Rock an. Sile wollte anfangen zu weinen, und ich habe eine Hand über ihren Mund gelegt, damit sie still ist. Wir waren beide ganz still.« Ciarans Unterlippe begann zu zittern. »Und dann waren da schlimme Geräusche ...«
    »Denk nicht mehr daran, Ciaran.« Dylan setzte sich den Jungen auf dem Schoß zurecht. »Du bist ein tapferer Junge, du hast deine Schwester beschützt.« Doch Ciaran verbarg das Gesicht an der Brust seines Vaters und begann zu weinen. Dylan ahnte Böses. »Ciaran«, sagte er in der Hoffnung, ein dreieinhalb] ähriger Junge würde den Sinn seiner Worte verstehen, »es war gut, dass du dich versteckt hast. Du bist noch zu klein, du hättest deiner Mutter nicht helfen können. Du hast das Richtige getan, du hast dich und deine Schwester gerettet, und genau das hat deine Mutter von dir erwartet. Du hast deine Sache gut gemacht, Sohn. Ich bin stolz auf dich, und deine Mutter oben im Himmel auch.«
    Das Schluchzen verebbte, hörte aber nicht auf. Dylan griff hinter sich in den Schrank, wo sein sporran lag, wühlte darin herum und förderte den Talisman zu Tage, den er Ciaran zeigte. »Hier, sieh mal.« Der Junge blickte schnüffelnd auf. »Das ist eine magische Brosche, ein Talisman, der dich beschützt. Siehst du, das hier ist das Symbol des Matheson-Clans, zu dem auch du gehörst. Der Talisman hilft dir, wenn du in Schwierigkeiten gerätst. Aber du darfst dich nicht bewegen, sonst wirkt der Zauber nicht. Wenn du diese Brosche trägst, bist du für

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