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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Grinsen trat auf sein Gesicht. »Ich fand es wundervoll, wie genau die Musik immer zu der Handlung passte. Egal was man zusammenmixte, es wirkte immer so, als wäre es so gedacht gewesen.« Die Furchen in seinem Gesicht verschwanden; seine Augen funkelten. Einen Moment lang sah Cody den Dylan von früher vor sich.
    »Wie hältst du es dann nur aus, in Armut und Elend zu leben?« Sie nickte zu dem kleinen, mit Moos und Ranken bewachsenen Torfhäuschen hinüber.
    Dylan gab einen grollenden Laut von sich, der wohl ein Lachen sein sollte. »Cody, an hiesigen Verhältnissen gemessen bin ich ein wohlhabender Mann, dazu noch der Vetter des Lairds und der Vater seiner Enkel, weswegen ich in Ciorram über großen Einfluss verfüge. Ich möchte fast wetten, dass Major Bedford keine Ahnung hatte, welchen Wert dieses Stück Land hier hat, als er dafür sorgte, dass es mir überschrieben wurde. Vielleicht hatte er ja auch beabsichtigt, es selber an sich zu reißen, deswegen hat er mir einen gedungenen Mörder hinterhergeschickt, als ich Edinburgh verließ. Der Besitz ist viel größer als die Pachtgrundstücke unten im Tal. Meine Familie hat auch im Winter immer genug zu essen, und ich kann sogar noch überschüssiges Getreide im Dorf verkaufen. Ich besitze eine Brennerei, die über hundert Gallonen Whisky pro Jahr produziert. Meine Schafherde ist die größte in ganz Ciorram, und jedes Tier liefert im Frühjahr mehr Wolle, als das bei den Tieren der anderen Bauern der Fall ist.«
    »Bist du denn glücklich hier?«
    Er überlegte einen Moment, dann erwiderte er bedächtig: »Ich habe mich an das Leben hier gewöhnt. Weißt du, ich habe gelernt, dass zum Beispiel elektrischer Strom nicht unbedingt erforderlich ist, um glücklich zu sein. Es hat viel für sich, die Dinge langsam angehen zu lassen. Lebensqualität besteht nicht darin, so schnell wie möglich von A nach B zu reisen - es ist viel wichtiger, zu wem man reist. Ich habe hier eine Familie und viele Freunde. Ich gehöre hierher, und ich bin zurückgekommen, weil ich meinen Platz nicht mehr in der Zukunft finden könnte. Tatsächlich bin ich mir noch nicht einmal sicher, dass ich je ins 20. Jahrhundert gehört habe. Ich glaube nämlich, dass ich aus einem bestimmten Grund in diese Zeit geschickt wurde.«
    »Aus welchem Grund denn?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Er zuckte die Schultern. »Ich weiß nur, dass ich nicht mehr zurück kann. Es wäre nicht ... nicht richtig.«
    »Aber hier ist alles so schmutzig, und dann diese Gerüche ...«
    Dylan seufzte und blickte dann zu seinen Schafen, seinen Weiden und Feldern und dem Bach hinüber, der gurgelnd über das Felsgestein floss. »Die Gerüche sind halb so schlimm. Nach einer Weile gewöhnst du dich so daran, dass du sie gar nicht mehr wahrnimmst. Jede Wette, dass du Autoabgase nur riechst, wenn du die Nase in einen Auspuff steckst. Aber ich fand den Gestank widerlich, als ich für sechs Wochen in dein Jahrhundert zurückkehrte. Inzwischen kann ich es hier riechen, wenn der Wind Regen bringt. Ich rieche, wie die Erde im Frühjahr wärmer wird und das Gras zu sprießen beginnt. Alles andere nehme ich gar nicht mehr bewusst zur Kenntnis - außer dem Gestank von verdorbenem Fleisch.«
    »Auch nicht den würzigen Duft des Topfes, der unter deinem Tisch steht?«
    »Was, den Nachttopf? Das kannst du riechen? Cait hat zwar ein Wachstuch darüber gebunden, aber ich werde sie bitten, sie soll ...«
    Er brach ab, wandte den Blick ab und senkte den Kopf. »O Gott.« Seine Stimme war kaum zu vernehmen. »Ich glaube einfach nicht, dass ich das wirklich gesagt habe.«
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Cody wünschte, sie könnte den Arm um ihn legen und ihn trösten. Endlich flüsterte sie sanft: »Das macht nichts, Dylan. Es bedeutet nur, dass ein Teil von dir ihren Tod immer noch nicht akzeptiert hat.«
    Dylan antwortete nicht, sondern betrachtete nur schweigend den Mond. Schließlich fragte er fast gleichgültig: »Und wie geht es dem guten alten Raymond?«
    Cody holte tief Atem. »Raymond wird erst in ungefähr zweihundertfünfzig Jahren geboren werden.«
    Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen. »Ah ja. Wie wird es ihm denn gehen, wenn du eines Tages in ferner Zukunft nach Schottland reist, um eine Fee zu suchen, die dich in die Vergangenheit zurückschickt?«
    Cody zuckte die Schultern. »Wir sind immer noch verheiratet. Mehr lässt sich im Augenblick dazu nicht sagen.«
    Dylan senkte den Kopf, sah ihr in die Augen und begriff.

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