Die Verbannung
verhungert, schüttelte Cody den Kopf. »Nein, machen Sie sich nur keine Umstände ...«
»Doch, doch. Hier, nehmt Eure kleine Base einen Moment, ich bin gleich wieder da.« Sie reichte Cody das Kind und eilte zur Tür neben dem Kamin hinaus.
Base? Als ihr die Bedeutung dieses altmodischen Wortes aufging, sah Cody erst das kleine Mädchen in ihren Armen und dann den Jungen, der drei oder vier Jahre alt sein mochte, aufmerksam an, dann kniete sie sich neben den Kleinen. »Ciaran?« Er blickte auf, erwiderte etwas auf Gä-lisch, wischte sich die Augen und betrachtete sie neugierig. Dies also war Dylans kleiner Sohn, und das Baby höchstwahrscheinlich seine Tochter, obwohl sie ihrem Vater lange nicht so ähnlich sah. Ihr Haar war so dunkel wie das von Ciaran, aber lockig, und in ihren Wangen saßen zwei kleine Grübchen.
Cody streckte dem Jungen die Hand hin. »Hi, ich heiße Cody.« Der Kleine ergriff sie, sagte aber nichts mehr, sondern musterte sie nur mit großen blauen Augen.
Die Diskussion draußen wurde lauter und hitziger. Cody fiel ein Stein vom Herzen, als sie Dylans Stimme aus dem Gewirr heraushörte. Sie stand auf und sah sich suchend nach ihm um. Er sprach Gälisch, was Cody erstaunte, denn früher hatte er, soweit sie wusste, nur wenige Worte dieser Sprache beherrscht. Aber noch eigenartiger war sein Verhalten, als er zusammen mit dem großen blonden Mann den Raum betrat. Ein viel jüngerer Mann mit rötlichem Haar folgte ihnen. Auch er musste brüllen, um sich in dem allgemeinen Lärm Gehör zu verschaffen. Dylan trug einen Kilt. Cody hatte ihn schon früher in einem Kilt gesehen, aber jetzt wirkte er, als habe er nie etwas anderes getragen. Er sprach Gälisch wie ein Einheimischer, schien genauso wütend wie alle anderen zu sein, aber es gelang ihm besser als den meisten, den blonden Hünen zu übertönen.
Dylan wandte sich zu einem anderen Mann um, der still in der Nähe gestanden hatte, griff nach dem Schwert, das dieser ihm reichte, und schlang sich das Wehrgehenk, an dem es hing, über die Brust. Dann nahm er sein Streitgespräch mit dem großen Mann und dessen jungem Verbündeten wieder auf.
Sarah kehrte mit einem Holzteller zurück, auf dem etwas lag, das wie ein mit Käse gefülltes Sandwich aussah, und reichte ihn Cody. Cody setzte das Baby neben Ciaran auf die Bank und griff nach dem Sandwich, obwohl sie sicher war, keinen Bissen hinunterzubringen. Sie blickte zu Dylan hinüber und fragte Sarah: »Weswegen streiten sie sich denn?«, dann nahm sie auf einem Stuhl Platz.
Sarah griff nach dem Baby und setzte sich auf die kleine Bank neben Cody. »Sie wollen alle Major Bedford umbringen, weil er dieses Verbrechen begangen hat.«
Cody runzelte verständnislos die Stirn. »Bedford ist der Mörder? Seid ihr sicher?« Sie wusste, wer Bedford war; Dylan hatte ihr von dem Engländer erzählt, der ihm die Narben auf seinem Rücken beigebracht hatte.
»Aye.« Sarah lauschte der Auseinandersetzung und übersetzte Cody dann das Wichtigste. »Dylan sagt, Cait wurde mit einem englischen Bajonett getötet. Bedford hat ihn und den gesamten Clan in den letzten Jahren immer wieder bedroht, Er hat bereits andere Mathesons auf dem Gewissen, unter anderem meinen eigenen Mann. Das ganze Tal würde den Major nur zu gerne mit durchschnittener Kehle am Boden liegen sehen. Iain Mór schlägt gerade vor, dass der Clan die Garnison dem Erdboden gleichmachen soll. Sein jüngerer Bruder Artair - der dort - würde die Männer anführen. Dylan möchte den Mörder aber eigenhändig umbringen, ohne fremde Hilfe.«
»Ist Iain der große Typ ... äh, Mann?«
»Aye. Er ist unser Laird und Caits Vater. Vor einigen Jahren bat Bedford auch Iains Vater getötet, und seitdem sinnt Iain auf Rache. Aber Dylan macht den beiden gerade begreiflich, dass es keinen Sinn hat, den gesamten Clan in Gefahr zu bringen, nur um die Welt von einem Sassunaich zu befreien. Ein paar schottische Whigs haben angefangen, sich einzubilden, das Land, das sie gepachtet haben, würde ihnen gehören. Und sie wollen ihren Besitz vergrößern, indem sie dafür sorgen, dass weniger mächtige und einflussreiche Pächter von ihrem Land vertrieben werden. Dylan rät Iain und Artair, den Engländern keinen Vorwand zu liefern, das ganze Tal zu beschlagnahmen. Außerdem will er sich persönlich an dem Mörder rächen.«
Cody knabberte an ihrem Sandwich und verfolgte das Streitgespräch. So hatte sie Dylan noch nie erlebt. Der Mann, den sie gekannt hatte - und
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