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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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wich dann aber zurück und blickte sich argwöhnisch um, bevor sie Dylan bei der Hand nahm und in den kleinen Salon zog. Dort ergriff sie seine beiden Hände und flüsterte: »Ich dachte, du bist tot! Gott helfe mir, ich dachte, sie hätten dich umgebracht.« Wieder traten ihr die Tränen in die Augen. Ihre Worte überstürzten sich fast. »A Dhilein, m'annsachd, man hat mir gesagt, du wärst auf dem Weg nach Fort William umgekommen!« Dann verfiel sie ganz ins Gälische. Ihre Stimme klang tränenerstickt. »Wie kommst du hierher? Wie ist dir die Flucht gelungen? Wieso ...«
    Dylan legte ihr einen Finger auf die Lippen und flüsterte gleichfalls auf Gälisch: »Ich bin geflüchtet, aber ich konnte nicht gleich herkommen. Wenn sie mich fassen, werden sie mich hängen, weil ich einen Soldaten töten musste und beinahe Major Bedford umgebracht hätte, um mein eigenes Leben zu retten. Robin Innis hat mir berichtet, dass ich einen Sohn habe, und da konnte ich mich nicht länger von euch fern halten.«
    Bei der Erwähnung des Babys hellte sich Caits verweintes Gesicht auf. »Du solltest ihn sehen! Er ist gesund und kräftig, und er ist das schönste Kind auf der ganzen Welt! Ich habe ihn Ciaran Robert genannt. Er ist oben, soll ich ihn holen?« Sie wandte sich ab und wollte davoneilen, drehte sich dann aber wieder um und griff erneut nach seinen Händen. »Dylan, verlass uns nicht wieder. Bring uns von hier weg. Mir ist es egal, welche Entbehrungen wir erdulden müssen, wenn wir nur von hier weg können!«
    Ihre Verzweiflung brach ihm fast das Herz. Er konnte ihr nicht die Antwort geben, die sie hören wollte, denn er wusste, dass das Leben auf der ständigen Flucht vor dem Gesetz für Ciaran den sicheren Tod bedeuten würde, so gesund er jetzt auch sein mochte. Die Kindersterblichkeit in diesem Jahrhundert war viel zu hoch, als dass man es wagen konnte, ein solches Risiko einzugehen, und das war ihr genauso bewusst wie ihm. Sie konnte ihre Worte unmöglich ernst gemeint haben, sie mussten ihrer Verzweiflung entsprungen sein. Doch da er sie nicht mit der einzig möglichen Antwort enttäuschen wollte, küsste er sie noch einmal, dann bat er: »Bring ihn herunter. Ich möchte endlich meinen Sohn sehen.« Ciaran Robert. Sie hatte dem Jungen seinen eigenen zweiten Vornamen gegeben.
    Als Cait lächelnd auf die Treppe zulief, tauchte von den Stufen zu der ein Stockwerk tiefer liegenden Küche eine alte Dienstmagd auf und begann, die Teller und Platten von der großen Tafel abzuräumen. Während sie die Teller übereinander stapelte, sah sie der vorbeieilenden, die Röcke mit beiden Fäusten hochraffenden Cait verdutzt nach, dann musterte sie Dylan, der sich verzweifelt bemühte, die gleichgültige Miene eines Fremden aufzusetzen, voller Argwohn. Sie war klein und dünn, und die tiefe Falte über ihrer Nase verriet, dass sie anscheinend die Gewohnheit hatte, ständig missbilligend die Stirn zu runzeln. Nachdem Cait die Galerie entlanggehuscht und in der neben der Wendeltreppe gelegenen Kinderstube verschwunden war, schnüffelte sie vernehmlich. »Ich habe die Missus noch nie so vergnügt erlebt.«
    Dylan musterte sie forschend und fragte sich, ob es Cait und ihm wirklich gelungen war, ihre Gefühle füreinander vor der Alten zu verbergen. »Vielleicht ist sie einfach nur froh, dass sie heute Abend keine Prügel mehr von ihrem Mann zu erwarten hat«, erwiderte er.
    Die Magd warf einen säuerlichen Blick in Richtung der Galerie. »Sie fordert es ja selbst heraus. Immer gibt sie Widerworte und reizt ihn bis aufs Blut.«
    Dylans Augen wurden schmal, seine Stimme nahm einen drohenden Unterton an. »Besser sie bekommt die Schläge ab als du, wie?« Der Gesichtsausdruck der Frau verriet ihm, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. Wahrscheinlich hatte Ramsay erst aufgehört, seine Magd zu verprügeln, nachdem er mit Cait verheiratet war. Gedehnt bemerkte er: »Vielleicht hat Mr. Ramsay ja Recht. Frauen, die zu viel reden, bringt man am besten mit ein paar Ohrfeigen zum Schweigen. Darum gebe ich dir den guten Rat, deine Zunge zu hüten, ansonsten könnte es dir unter Umständen sehr Leid tun.«
    Die Alte blinzelte verwirrt und kniff dann die Augen zusammen, als wolle sie versuchen, im Dunkeln in seinem Gesicht zu lesen. Schließlich straffte sie sich und verließ mit dem Tablett voll schmutzigem Geschirr den Raum.
    Während er auf Caits Rückkehr wartete, hob Dylan die zerbrochenen Kerzen vom Boden auf, steckte die längsten Stücke

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