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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Wasserkrug aus Zinn nebst passender Schüssel sowie ein zusammengefaltetes Handtuch bei sich. Über ihrem Arm lag ein dunkelgrünes Seidengewand. Ein junges Mädchen ging hinter ihr. Sie hielt ein Tablett in der Hand, auf dem ein Zinnhumpen, der vermutlich Ale enthielt, sowie ein Teller mit geröstetem Hühnerfleisch und einem Stück Weizenbrot standen. Dylan hob die Augenbrauen, als er sah, dass auch ein Mundtuch, eine silberne Gabel und ein Hornmesser darauf lagen. Er folgte den beiden Mägden zum Gästezimmer. Niemand sprach ein Wort.
    Das Zimmer lag hinter der ersten Tür am Anfang des langen Korridors. Verglichen mit den anderen Räumlichkeiten des Hauses war es eher klein, dennoch kam es dem an das elende Loch im Hogshead Inn gewöhnten Dylan geräumig und luftig vor. Es hatte zwei hohe Fenster und war mit einem Kamin mit holzgeschnitzter Einfassung, einem äußerst bequem wirkenden Bett, einem Schrank an der Wand neben der Tür und einem Tisch ausgestattet, auf dem Nellie Wasserkrug, Waschschüssel und Handtuch absetzte. Das Speisentablett wurde auf das Fußende des Bettes gestellt. Dann hängte Nellie das grüne Seidengewand, das sich als Morgenrock entpuppte, in den ansonsten leeren Schrank und verließ mit dem Mädchen den Raum. Sinann kauerte sich wie üblich auf das Kopfteil des Bettes.
    Seufzend schloss Dylan die Tür hinter den beiden Frauen. Er hoffte, dann das unaufhörliche Gepolter von oben nicht mehr hören zu müssen, wurde aber enttäuscht. Einen angewiderten Blick zur Decke werfend, nahm er dann sein Wehr-gehenk ab und lehnte sein Schwert gegen den Schrank. »Irgendetwas muss mit dem Kerl nicht stimmen. Kein Mensch braucht so lange für eine Nummer. Ein gewisses Stehvermögen ist ja gut und schön, aber das da klingt eher nach Wollen und nicht Können.«
    Sinann schnaubte. »Glaub mir, mein Freund, es ist gut, dass du nicht weißt, was da oben vor sich geht.«
    Dylans Fantasie gaukelte ihm augenblicklich ein paar recht abartige Bilder vor. Er zuckte zusammen und schüttelte den Kopf, um sie zu vertreiben. Nein, er hatte nicht die Absicht, dort hinaufzugehen und sich davon zu überzeugen, wer es da mit wem trieb - oder womit. Er blendete den Lärm aus seinem Bewusstsein aus und ging zum Tisch hinüber.
    Dort löste er seinen Gürtel und ließ ihn samt sporran und Kilt zu Boden fallen. Dann streifte er sein Hemd über den Kopf, warf es gleichfalls zu Boden, zog Brigid unter seiner rechten Gamasche hervor und schob sie unter das Kopfkissen. Seinen sgian dubh legte er auf den Tisch. Nachdem er seine Gamaschen abgestreift hatte, schnürte er die Polostiefel mit den Gummisohlen auf, die er aus seinem eigenen Jahrhundert mitgebracht hatte, schleuderte sie von sich und zog seine Socken aus. Zuletzt nahm er die Kordel ab, an der sein Kruzifix und Caits goldener Ehering hingen, und legte sie neben die Waschschüssel.
    Das Feuer brannte lichterloh und verbreitete eine angenehme Wärme im Raum, also beschloss er, die Gelegenheit zu nutzen, um sich endlich einmal gründlich zu waschen. Er goss Wasser in die Schüssel, weichte das Handtuch darin ein und begann damit, sich das Gesicht abzureiben, dann fuhr er mit nassen Händen durch sein Haar, bis ihm die kalten Tropfen über den Rücken rannen und ihn erschauern ließen. Danach schrubbte er sich den verkrusteten Schmutz von Füßen und Knöcheln, arbeitete sich von dort aus hoch und verwendete das letzte Wasser schließlich für die Gegenden seines Körpers, die nur selten mit Luft oder Seife in Berührung kamen. Ein paar Minuten blieb er vor dem Feuer stehen, um seine Haut trocknen zu lassen, dann griff er nach dem Kleidungsstück, das Nellie in den Schrank gehängt hatte, und betrachtete es.
    Es war ein Morgenrock aus schwerer grüner Seide mit Brokataufschlägen, schon recht abgetragen und an den Säumen ausgefranst, aber sauber und weich. Obwohl er die aufwändige Kleidung seines früheren Lebens nicht vermisste, genoss er das Gefühl von Seide auf seiner bloßen Haut. Er schlang den Mantel eng um sich und ließ sich auf dem Bett nieder, um seine Mahlzeit zu verzehren. Dabei hoffte er inständig, dass die Geräusche von oben endlich verstummten, aber obwohl der Rhythmus sich häufig änderte und gelegentlich auch für einen Moment Ruhe eintrat, setzte der Krach kurz darauf immer wieder ein.
    Sinann, die heute sehr viel schweigsamer war als sonst, meldete sich zu Wort. »Du gehst also zu ihr?«
    Dylan blickte die Fee an. »Natürlich gehe ich. Hast du

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