Die Verbannung
Satin bezogenes Sofa stand, daneben zweigte eine weitere Halle von einem engen Treppenhaus ab. Diese Treppe führte anscheinend zu der Galerie, die sich über die ganze Länge des großen Saales erstreckte, eine Biegung beschrieb und an der Tür endete, die als Zugang zur Wendeltreppe im vorderen Bereich des Hauses diente.
Für Edinburgher Verhältnisse bot dieses Haus erstaunlich viel Platz, denn der Baugrund auf dem Felshang, auf dem man die Stadt errichtet hatte, war knapp bemessen, sodass in den meisten Gebäuden und auch in den Straßen und Gassen eine qualvolle Enge herrschte.
Ramsay wandte sich an Dylan. »Ich lasse Euch unten in der Küche ein Lager herrichten.«
Dylan nickte, ohne etwas darauf zu erwidern. Er nahm die luxuriöse Ausstattung des Hauses kaum wahr, seine Gedanken kreisten einzig und allein um Cait. Sie lebte hier; die Räume waren von ihrem Duft erfüllt. Einen Moment lang fühlte er sich wieder nach Glen Ciorram versetzt; dachte an all die Nächte zurück, während derer sie gemeinsam Gedichte gelesen und dem Tag ihrer Hochzeit entgegengefiebert hatten. Am liebsten hätte er augenblicklich das ganze Haus nach ihr abgesucht, aber er beherrschte sich, atmete einmal tief durch und rührte sich nicht vom Fleck.
»Cait!« Ramsay drehte sich schwankend in Richtung des dunklen Salons um. Eine leichte Alkoholfahne verriet Dylan, warum sein Arbeitgeber so unsicher auf den Beinen war. »Cait! Komm her, du Schlampe!«
Dylan stieg das Blut in die Wangen. Beinahe hätte er Bri-gid gezückt und diesem Kerl gezeigt, was es hieß, Cait so zu behandeln. Doch statt einen blutigen Streit heraufzubeschwören, spähte er an Ramsay vorbei ins Dunkel. Eine schattenhafte Gestalt erhob sich von dem Stuhl am Fenster. Er sah ein paar glänzende Haarsträhnen, die sich aus ihrer Frisur gelockert hatten, ehe er ihr Gesicht erkennen konnte.
Doch als sie näher kam, sog er vor Schreck zischend den Atem ein. Sie presste ein blutgetränktes Taschentuch gegen ihre Nase. Ihr linkes Auge war zugeschwollen und dunkel-lila verfärbt. Sie trug ein nach englischer Art geschnittenes Kleid aus schwerer grüner Wolle und ein mit Fischbein verstärktes Mieder, das ihre ohnehin schon schlanke Taille noch schmaler erscheinen ließ und ihre Brüste in die Höhe hob. Ein Kragen aus gerüschter Spitze lag um ihren Hals. Er reichte ihr bis zum Kinn, sodass der Eindruck entstand, als ruhe ihr Kopf müde auf dem duftigen Gebilde. Den Blick hielt sie auf den Boden gerichtet, als sie auf die beiden Männer zukam, und sah weder Dylan noch Ramsay an. Kurz vor ihnen blieb sie stehen und versank in einem tiefen Knicks, ohne den Kopf zu heben.
»Cait, dies ist Mr. Mac a'Chlaidheimh, mein Leibwächter.
Bereite ihm ein Nachtlager und sorg dafür, dass er etwas zu essen bekommt. Ich weiß noch nicht, wie lange er bleiben wird.«
Cait knickste erneut vor Dylan, den Blick starr auf den Boden geheftet. »Mac a'Chlaidheimh ...«
Er griff nach ihrer freien Hand und neigte sich in kontinentaler Manier darüber. »A Chaitrionagh.«
Ihre zitternden Finger schlossen sich plötzlich so fest um die seinen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Langsam hob sie den Kopf. Dylan bedeckte ihre Hand mit seiner linken, ohne sich um Ramsay zu kümmern, und blickte in ihr blasses Gesicht. Ihre großen blauen Augen schwammen in Tränen. Er runzelte die Stirn und schüttelte unmerklich den Kopf, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie weder mit seinem richtigen Namen herausplatzen noch sonst irgendwie zu erkennen geben sollte, dass sie ihn kannte. Sie biss sich auf die Lippe und verstärkte ihren Griff um seine Hand. Dylan schluckte hart. Es kostete ihn eine schier übermenschliche Anstrengung, sie nicht hier und jetzt einfach in die Arme zu reißen. Mochte Ramsay doch zum Teufel gehen!
8. KAPITEL
Ramsay betrachtete sich selbstgefällig in einem großen Wandspiegel, während er seine Perücke zurechtrückte. Ohne sich umzudrehen, sagte er zu Dylan: »Ihr könnt im Salon warten, bis Euer Lager hergerichtet ist. Dieses ungeschickte Frauenzimmer hat zwar den Kerzenleuchter umgestoßen, und ich musste die Kerzen austreten, um zu verhindern, dass das ganze Haus abbrennt, aber einige sind wohl halbwegs unversehrt geblieben. Zündet sie nur wieder an.«
Cait fragte Dylan auf Gälisch: »Hast du schon etwas gegessen?«
Ramsay wirbelte herum und holte mit der flachen Hand zu einem Schlag aus, dem sie mit dem Geschick langer Erfahrung auswich. »Hör sofort mit diesem
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