Die Verbannung
fuhr dem Baby über das schwarze Haar. »Vor seiner Geburt betete ich, dass er kräftig und gesund zur Welt kommen möge. Mein Gebet wurde erhört. Jedes Mal, wenn ich ihn ansah, sah ich dich. Ich danke Gott dafür, dass du noch am Leben bist.« Sie legte eine Hand gegen Dylans Wange, und er drehte sich zu ihr um, um sie zu küssen. Einen kurzen Moment lang war die Welt für ihn in Ordnung; Cait, er und Ciaran waren endlich vereint, und nur das zählte.
Auf der Küchentreppe erklangen Schritte. Cait nahm Dylan das Baby ab und sprang auf. Auch Dylan erhob sich, drehte sich zum Kamin um und neigte leicht den Kopf, damit es so aussah, als bewunderte er das Gemälde, das über dem Kaminsims hing. Es zeigte einen nach der zur Zeit Königin Elizabeths herrschenden Mode gekleideten Mann, der Ramsay sehr ähnlich war. Vermutlich handelte es sich um einen seiner Vorfahren.
Hinter ihnen ertönte die Stimme der alten Magd: »Ihr habt das Kind aufgeweckt.« Die Bemerkung klang wie ein Tadel.
Ohne darauf einzugehen, wies Cait die Frau auf Englisch an: »Nellie, richte Mr. Mac a'Chlaidheimh bitte etwas zu essen her. Mr. Ramsay hat das angeordnet.«
»Kümmert Euch gefälligst selbst darum«, war die schroffe Antwort.
Dylan drehte sich um. Der offensichtliche Mangel an Respekt gegenüber der Herrin des Hauses ärgerte ihn. Anscheinend wusste die Magd, dass Cait bei ihrem Mann in Ungnade stand, und nutzte diesen Umstand weidlich aus. Gereizt fuhr er sie an: »Ich frage mich, was Mr. Ramsay davon halten würde, wenn ich mir die Mühe gebe, dir einmal richtiges Benehmen beizubringen!«
Nellie bedachte ihn mit einem mürrischen Blick. »Er würde Euch sofort entlassen, und wenn Ihr ein noch so guter Schwertkämpfer seid.«
»Aye, aber dann könntest du schon die paar Zähne ausgespuckt haben, die du noch im Mund hast. Ich dulde nicht, dass du dich in meiner Gegenwart der Frau meines Arbeitgebeis gegenüber so unverschämt verhältst.«
Nellie verzog säuerlich das Gesicht, dachte einen Moment nach und sagte dann: »Es ist aber nur noch ein Rest kaltes Moorhuhn vom Abendessen da.«
»Das genügt vollkommen«, nickte Dylan. Als die Magd den Raum verlassen wollte, hielt er sie zurück. »Ach, Nellie ...« Die Alte blieb stehen und sah ihn an. »Richte das Gästezimmer her. Ich werde heute Nacht dort schlafen.«
Nellie presste die Lippen zusammen, warf Cait einen giftigen Blick zu und verschwand.
Cait sah ihr nach. Die Wangen der Magd leuchteten flammend rot; ihre Augen blitzten vor Zorn.
Dylan flüsterte Cait auf Gälisch zu: »Miss Nellie kommt mir aber nicht so vor, als ob sie Fieber hätte.« In diesem Moment setzte irgendwo über dem großen Saal ein dumpfes, rhythmisches Pochen ein. Cait achtete nicht darauf. Dylan starrte verwundert zur Decke empor, doch dann begriff er, dass der Lärm von dem Kopfteil eines Bettes herrührte, das gegen die Wand schlug. Er senkte den Kopf und wich Caits Blick aus.
Sie erwiderte gleichfalls auf Gälisch: »Connor weiß nicht, was in den Dienstbotenunterkünften vor sich geht, und er kümmert sich auch nicht darum.« Immer noch blickte sie der Magd hinterher. »Vor dem Küchenherd wäre genug Platz für einen Strohsack oder Ähnliches. Aber ich werde nicht zulassen, dass du auf dem Boden schläfst. Nicht in meinem Haus.« Sie verlagerte Ciarans Gewicht auf ihrer Hüfte. »Und ich will auch nicht, dass die Dienstboten jeden deiner Schritte beobachten.« Sie drehte sich zu Dylan um, trat nahe an ihn heran und dämpfte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Komm heute Nacht zu mir, in meine Kammer.« Dabei hob sie das Kinn zur Decke, um ihm zu zeigen, dass sich ihr Schlafraum genau über dem Salon befand. Dann sah sie ihn an. Ein flehentlicher Ausdruck lag in ihren Augen. Sie war sich der Gefahr bewusst, in die sie sich begab; wusste, dass Ramsay sie beide töten würde, wenn er sie miteinander im Bett ertappte, denn das Gesetz gab ihm sogar das Recht dazu. Dylan kannte sich mit den Gepflogenheiten dieses Jahrhunderts inzwischen nur zu gut aus. Gehörnte Männer pflegten sich mit scharfer Klinge an ihren Nebenbuhlern und untreuen Ehefrauen zu rächen. Aber er war bereit, das Risiko einzugehen. Er hatte Cait zu lange entbehren müssen, verlangte zu sehr nach ihr, als dass er ihr Angebot hätte ablehnen können. Also nickte er nur.
Cait wandte sich ab und eilte die Treppe zur Kinderstube hinauf, um einen neuerlichen Zusammenstoß mit Nellie zu vermeiden, die gerade zurückkam.
Sie trug einen
Weitere Kostenlose Bücher