Die Verbannung
Sätzen nahm er die letzten Stufen. »Felix?« Niemand antwortete.
Anscheinend waren sämtliche Angestellten, Felix eingeschlossen, nach unten in ihre Unterkunft gegangen, wo sie auf Pritschen schliefen und eine Art Junggesellengemeinschaft bildeten, die Dylan immer an das ungezwungene kameradschaftliche Leben erinnerte, das er selbst in den Baracken von Glen Dochart geführt hatte. Er schloss die Falltür und ging in Ramsays Büro.
Die Räume lagen dunkel und verlassen da. Im Vorzimmer glommen die ersterbenden Überreste des Kaminfeuers vor sich hin. Dylan durchquerte den Raum, um das dahinter liegende Büro zu betreten. Doch als er die Hand nach dem Türknauf ausstreckte, stutzte er. Die Tür, die er vor einer halben Stunde eigenhändig geschlossen hatte, stand jetzt einen Spaltbreit offen.
10. KAPITEL
»Scheiße!«, fluchte Dylan verhalten, während er nach Brigid griff. Dann deutete er erst auf Sinann, dann auf seine Augen und dann in den Raum, um der Fee zu verstehen zu geben, dass sie das Terrain sondieren sollte. Sinann schwirrte davon und kam kurz darauf wieder zurück. »Er hockt hinter dem Schreibtisch und wühlt in einem Kasten mit Briefen herum«, berichtete sie. »Geh links um den Tisch herum, aber mach schnell, er schaut nämlich schon zur Tür.«
Dylan holte tief Atem, dann stieß er die Tür ganz auf und stürmte in den Raum. Der Eindringling war klein und behände. Als er Dylan sah, stieß er einen Quieklaut aus und versuchte zu fliehen, doch Dylan schnitt ihm den Weg ab, als er hinter dem Schreibtisch hervorgeschossen kam, packte ihn und schleuderte ihn gegen das Bücherregal neben dem Fenster. Das Regal geriet ins Schwanken, und ein Kontobuch fiel von dem obersten Brett und landete mit einem dumpfen Krachen auf dem Boden.
Erst jetzt bemerkte Dylan, wer ihm da ins Netz gegangen war. »Hey! Du bist ja nur ein Junge!« Es war der zerlumpte Gassenjunge in dem ausgeblichenen roten Soldatenrock. Der Bursche versuchte sich loszureißen, doch Dylan stieß ihn erneut gegen das Regal. Weitere Bücher wackelten bedrohlich.
»Aye, ich bin ein Junge«, schnarrte der Gefangene in einem Na und?- Ton. Er zappelte so heftig, dass Dylan Mühe hatte, ihn zu bändigen. Als er eine Hüfte gegen den rot bekleideten Rücken presste, um beide Arme frei zu bekommen, höhnte der Bursche: »Aber ich kann gerne so tun, als wäre ich ein Mädchen, wenn Ihr das wollt.« Dabei wackelte er so anzüglich mit dem Gesäß, dass Dylan automatisch einen Schritt zurückwich. Der Junge riss sich mit einem Ruck los und rannte davon, doch Sinann schlug ihm geistesgegenwärtig die Tür vor der Nase zu und grinste, als der Junge verzweifelt daran zu rütteln begann. Dylan packte einen seiner dünnen Arme und verdrehte ihn. »Halt still, du kleine Ratte!«, fuhr er ihn wütend an, drückte ihn mit einer Hand gegen die Tür und setzte ihm mit der anderen Brigid an die Kehle.
»Ich hab nix nich genommen!«
»Was meinst du, was mich das interessiert. Ich will wissen, was du hier zu suchen hast. In diesem Büro gibt es nichts, was es sich zu stehlen lohnt.« Niemand, der auch nur einen Funken Verstand hatte, bewahrte Geld in einem Gebäude auf, wo die Angestellten des Nachts unbeaufsichtigt waren. »Für wen arbeitest du? Was wolltest du mit diesen Briefen?«
»Ich arbeite für niemanden!«
Dylan verdrehte den Arm stärker. »Ich fragte, für wen du arbeitest!«
Der Junge biss vor Schmerz die Zähne zusammen und erwiderte in einem betont geduldigen Ton: »Für niemanden. Seid Ihr taub, Mister?«
»Von mir aus können wir die ganze Nacht hier bleiben. Du gehst nirgendwohin, bevor ich nicht weiß, was hier gespielt wird.« Er verdrehte den Arm des Jungen so grob, dass dieser vor Schmerz aufschrie.
»Och! Es war ein Rotrock! Ein Major, ein großer, hellhaariger Kerl! Spricht, als hätte er seine Zunge verschluckt, und geht wie einer, dem man einen Ladestock in den Arsch geschoben hat. Au! Lasst mich los!«
Dylan kniff die Augen zusammen und wünschte inbrünstig, Bedford wäre in Fort William seinen Verletzungen erlegen. »Warum hat er dich hergeschickt?«
»Er wird Euch bis in die Hölle verfolgen, wenn mir etwas zustößt! Er wollte ein paar Briefe haben. Dieser Ramsay ist ein Verräter, wisst Ihr das?«
»Du kannst lesen?«
»Sicher kann ich lesen.« Der Junge zuckte die Schultern. »Ein bisschen. Sonst wäre ich ja wohl nicht hier.«
»Und was hat Ramsay so Hochverräterisches getan? Ein Glas auf König James
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