Die Verbannung
bei den Schultern und schob ihn zur Tür hinaus: »Geh heim, Vincenzino.«
Er schloß die Tür und den Laden; er schloß alle Läden und ging durch das Halbdunkel. Elena brach mit einem Wimmern unter ihm zusammen.
Matt und satt saß Stefano in der Wirtschaf und dachte an seine Kraf und an seine Einsamkeit. Heute Nacht würde er besser schlafen, und das war viel wert. Von jetzt an würde er immer das Morgengrauen sehen und wie Giannino in der wohltätigen Kälte der Nacht rauchen. Seine Kraf war etwas Reales, wenn die arme Elena ihn unter Tränen dankbar anlächelte. Mehr konnte er ihr nicht geben.
Er wechselte ein paar Worte mit dem kahlen Vincenzo und mit Beppe, dem Autoschlosser, die nicht von Giannino sprachen und auf den vierten Mann warteten. »Darf ich Sie zu einem Glas einladen?« sagte Stefano schließlich.
Der Krug kam: ein brauner Wein, der wie Kaffee aussah. Er war kalt und prickelnd. Der Autoschlosser, der seine Mütze tief in die Augen gezogen hatte, trank Stefano zu. Stefano leerte zwei Gläser, dann sagte er:
»Wie ist der kleine Ausflug verlaufen?«
Der junge Mann zwinkerte ihm mit seinen schwarzen Augen zu. »Kein Weg so glatt wie der ins Gefängnis, Herr Ingenieur.«
»Meinen Sie?« murmelte Stefano. »Der Wein hier ist
schwer. Schön dumm von mir, daß ich nicht schon früher davon getrunken habe.«
Vincenzo begann mit schiefem Mund zu lachen. Er war ein braver Kerl.
»Bekommen Sie jetzt Ihre Unterstützung, Herr Ingenieur?«
»Gewiß. Sie hatten damals recht; ich habe doch mit Ihnen darüber gesprochen?«
Noch vor Mittag ging Stefano hinaus, um sich den Kopf abzukühlen. Straßen und Häuser schwankten ein wenig unter einer bleichen strahlenden Sonne. Es war alles so einfach. Warum hatte er nicht früher daran gedacht? Der ganze Winter erwartete ihn mit einer lauen Wärme.
Stefano ging zu Gianninos Haus, stieg die Steinstufen hinauf und spähte zu dem Laub des Gartens hinüber, das noch grün über der Mauer emporwuchs. Während er wartete, dachte er an Concias Haus, das er nicht mehr gesehen hatte – waren immer noch diese Geranien am Fenster? –, an Toschina und an die unbekannte Stimme, die wohl vor gekränktem Stolz hinter der vorgehaltenen Hand geweint hatte.
In dem kleinen Salon mit roten Fliesen herrschte trostlose Kälte. Ein schwerer Vorhang verhüllte eine Tür. Das Fensterchen war geschlossen.
Hart und gleichgültig kam die Mutter herein, sie hielt ihre Brust und umarmte sich mit den Ellenbogen. Stefano setzte sich auf die Stuhlkante.
Er war es, der von Giannino anfing. Die starren Augen der Alten lauschten und bewegten sich dabei kaum.
»Hat er Ihnen nie etwas gesagt?«
Jemand rief etwas, vielleicht in der Küche. Ohne sich stören zu lassen, stotterte die Alte: »Das Wasser steht uns am Hals. Mein Mann wird schwachsinnig. Das ist das Alter. Wir haben ihm alles verheimlicht.« »Ich weiß nichts von Giannino. Aber ich glaube, daß es sich um eine Kleinigkeit handelt.«
Die Alte schloß sich hartnäckig weiter in die Arme. »Wissen Sie, daß er heiraten sollte?«
»Aber hatte er denn Lust dazu?« fragte Stefano unversehens. »Giannino ist doch kein Narr, er wird es absichtlich getan haben.«
»Giannino meint, er sei kein Narr«, sagte die Mutter stockend. »Aber er ist genau so närrisch und kindisch wie sein Vater. Wäre er kein Narr, so hätte er mit der anderen bis nach der Hochzeit gewartet.« Ihre Augen wurden klein und hart und neugierig. »Sind Sie je in San Leo gewesen? Ein Höhlendorf, wo es noch nicht einmal einen Geistlichen gibt … Und die wollen meinen Sohn heiraten!«
»Ich weiß, was Gefängnis heißt«, sagte Stefano. »Mag sein, daß Giannino sie heiratet, nur damit er rauskommt.« Die Alte lächelte.
»Giannino war darauf aus, keine zu heiraten«, brummelte sie. »Sie kennen das Gefängnis, aber Sie kennen meinen Sohn nicht. Der kommt als Junggeselle heraus.«
»Und die Spanò?« sagte Stefano. »Was sagt denn die dazu?«
»Die Spanò ist das Mädchen, das ihn bekommt. Die Spanò kennt ihn. Ich sage Ihnen das, weil Sie nicht von hier sind. Auch wir kennen diese Leute. Sie haben den Bankert des Vaters im Haus und können den Leuten nicht offen in die Augen schauen.«
Die Alte schwieg, schloß sich noch fester in die Arme und sah zu Boden.
Als Stefano aufstand, blickte sie auf: »Wir stehen in Gottes Hand«, sagte sie.
»Ich habe einige Erfahrung. Wenn ich etwas für Sie tun kann …«, sagte Stefano.
»Danke. Wir kennen da jemand. Wenn
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