Die Verbindung: Thriller (German Edition)
Espresso, den er zehn Minuten zuvor getrunken hatte, begann, wie geplant, seine Wirkung zu zeigen, und er war zu allem bereit. Sein T-Shirt klebte ihm an der Brust, und der Schweiß rann ihm die Wirbelsäule hinunter. Er bestieg einen Life Fitness Cross-Trainer, der in der Mitte einer Reihe von neun identischen Maschinen stand, und fummelte an seinem iPod herum. Das war ein Weihnachtsgeschenk seiner Frau, das ihm das Training leichter machte und ihn mit leichter Verspätung in die Welt der digitalen Musik eingeführt hatte, was es ihm erlaubte, sowohl zu einigen Lieblingsstücken seiner Jugend zurückzukehren, als auch den einen oder anderen neuen Song auszuprobieren. Es spielte nicht wirklich eine Rolle, was für eine Musik es war, solange sie ihn auf Trab brachte. Er überging sechs oder sieben Stücke, bis er etwas von den Stiff Little Fingers fand, das sein Blut garantiert in Wallung und seine Beine in Bewegung brachte. Er drehte die Lautstärke bis fast zum Anschlag und blendete so viel von den Hintergrundgeräuschen aus wie möglich. »Nobody’s Hero« dröhnte durch seinen Kopf. Er biss die Zähne zusammen, stampfte auf die Maschine ein und versuchte, seinen Rhythmus zu finden. Es war an der Zeit, dass er den ganzen Stress des Falls Blake hinter sich ließ, wenn auch nur für eine Weile.
Dass Edgar Carlton ihm eine Abfuhr erteilt hatte, ärgerte ihn maßlos. Schlimmer fand er, dass Carltons Sonderberater William Murray sich immer noch nicht mit einem Termin für ihr vereinbartes Treffen bei ihm gemeldet hatte. Wie Carlyle es sah, spielten sie eindeutig auf Zeit. Wenn die Wahl vorüber war und ihnen alle Machthebel zur Verfügung standen, konnten sie den ganzen Fall leicht unter den Teppich kehren.
»Ihr Dreckskerle!«, fauchte Carlyle, während er das Tempo auf dem Cross-Trainer erhöhte. »Ihr verdammten Dreckskerle!« Er konnte es nicht ertragen, von Leuten schikaniert zu werden, die meinten, sie stünden irgendwie über dem Gesetz. Und noch weniger konnte er es ertragen, dass er nichts dagegen machen konnte.
Geduscht und entspannt kam Carlyle aus dem Umkleideraum geschlendert und fand Joe Szyszkowski im Café des Fitnessstudios vor, wo er sich an einem Milchkaffee festhielt.
»Helen hat mir gesagt, du wärst hier«, erklärte Joe zur Begrüßung. »Ich hab vorher versucht, dich auf dem Handy zu erreichen, bin aber direkt mit der Mailbox verbunden worden.«
»Möchtest du noch was zu trinken?«, fragte Carlyle und ließ seine Sporttasche neben einem Werbeständer für Nahrungsergänzungsmittel mit Namen wie Hurricane und Scorpion Extreme fallen.
»Nein, ich hab genug, danke.«
Carlyle zog einen Stuhl hervor und warf einen Blick auf die »Tagesgerichte«, die mit Kreide auf einer Tafel über der Theke aufgelistet waren. Eigentlich musste er nicht nachsehen: Sie mochten immer noch »Tagesgerichte« sein, aber er konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal gewechselt hatten. Er bestellte einen Orangensaft und ein Hummus-Fladenbrot und setzte sich zu Joe an den Tisch. Die Stoßzeit nach Feierabend war inzwischen vorüber, und das Lokal leerte sich ziemlich schnell. Als er einen Blick durch das Fitnessstudio warf, erkannte Carlyle einen bekannten Schauspieler, der bei den Hanteln herumhing. Er war in einem Film aufgetreten, den Helen ein paar Wochen zuvor mit nach Hause gebracht und dessen Details Carlyle schon vergessen hatte, bevor der Nachspann zu Ende war. Der Mann trug ein Top mit Kapuze, eine Baseballmütze und eine Sonnenbrille, was Carlyleein bisschen übertrieben fand. Obwohl er tatsächlich kein Gewicht stemmte, überzeugte er sich gewissenhaft, ob alle bemerkten, dass er da war.
»Gute Trainingseinheit?«, fragte Joe.
»Nicht schlecht«, murmelte Carlyle auf eine Weise, die besagen sollte: Erst kommt das Essen, dann kommt das Gespräch.
Die Wand neben ihnen war mit Handzetteln bepflastert, die alle möglichen Kurse ankündigten, von Kendo über Fitness im russischen Militär – Trainieren wie die Rote Armee, mit echten Spetsnaz-Ausbildern! – bis hin zu Hot Bikram Yoga. Es gab auch Werbung für Personal Trainer. Eine Anzeige fand er gleichermaßen faszinierend und abstoßend. »Du bist nie zu alt für einen Waschbrettbauch«, verkündete sie über einem verblüffenden Schwarz-Weiß-Foto eines lächelnden Typs von Mitte sechzig mit derart perfekt definierten Bauchmuskeln, dass es nicht zu glauben war. Nicht zum ersten Mal fühlte er sich von Ehrfurcht ergriffen und beklommen
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