Die Verbindung: Thriller (German Edition)
»Sie sollen tun, was sie wollen. Die Vergangenheit holt die Leute immer ein, finden Sie nicht?«
»Wünschen Sie ihren Tod?«, fragte er ruhig.
Sie starrte ihn fragend an. »Erwarten Sie, dass ich darauf antworte?«
»Ja«, sagte er, »das tue ich.«
»Stehe ich unter Verdacht?«
»Das würde ich meinen«, sagte Carlyle freundlich. »Sie sind mit all den Leuten, die darin verwickelt waren, irgendwie verbunden, und Sie haben ein Motiv. Ein sehr gutes Motiv, wenn ich das sagen darf.«
»Hab ich das?«, fragte sie fast kokett.
»Wenn Rache ein Gericht ist, das man am besten kalt genießt«, sagte Carlyle, »dann könnte es so aussehen, als nähmen Sie Ihr Essen aus dem Tiefkühlschrank.«
»Was für eine verworrene Metapher, Inspector.«
Carlyle fiel auf, dass die Leute ihn immer als »Inspector« anredeten, wenn sie ihn von oben herab behandelten. Er holte tief Luft und schwor sich, sich keine Kränkung zu Herzen zu nehmen. »Ich formuliere die Frage ein wenig anders«, fuhr er fort. »Macht es Ihnen etwas aus, dass einige von ihnen tot sind?«
»Nein.« Sie wich der Frage nicht aus. »Es ist mir wirklich völlig egal.«
»Und falls die anderen getötet würden?«
»Genau dasselbe. Inschallah, wie meine arabischen Klienten sagen würden. Es ist Gottes Wille.«
»Das ist keine Antwort, die mich ermuntert, woanders nach Verdächtigen zu suchen«, tadelte er sie so streng, wie er konnte.
»Ich schätze, Sie werden Ihr professionelles Urteilsvermögen einsetzen müssen«, sagte sie und seufzte.
»Ja, ja, das mache ich.«
Sie musterte seine Miene. »Aber vielleicht haben sie es verdient zu sterben.«
Eine Menge Leute verdienen zu sterben, dachte Carlyle. »Vielleicht«, erwiderte er, »ich hab keine Ahnung.«
»Jemand muss über sie urteilen.«
»Nein, das muss niemand.« Er bemühte sich, vernünftig zu klingen. »Sie sind nicht festgenommen oder irgendeines Verbrechens beschuldigt worden.«
»Das hat nichts zu bedeuten«, sagte sie schmollend.
»Im Leben geht es nicht um Recht oder Unrecht.« Er zuckte mit den Achseln. »Es geht darum, wer die Wahl treffen darf. Sie dürfen sie nicht treffen … und ich auch nicht, was das betrifft.«
»Sie müssen sich höhere Ziele setzen, Inspector. Denken Sie an Jeremy Bentham: ›Öffentlichkeit ist die Seele der Gerechtigkeit. Sie ist der schärfste Ansporn zur Anstrengung und der sicherste Schutz gegen Unredlichkeit. Sie sorgt dafür, dass der Richter während des Prozesses selbst gerichtet wird. ‹ «
Carlyle sagte der Name nichts. »Wer?«
»Jeremy Bentham, ein Philosoph und Jurist, der vor zweihundert Jahren lebte.«
»Ah.« Carlyle hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Ein Philosoph und Jurist? Die einzigen Jeremys, die ihm in den Sinn kamen, waren zwei Fernsehmoderatoren.
»In der UCL haben sie immer noch sein Skelett ausgestellt«, sagte sie und lächelte, »in seinen Kleidern und mit einem Kopf aus Wachs oben drauf.«
»Entzückend.«
»Er hat gesagt, dass er es so haben wolle.«
»Vielleicht lasse ich so was auch mit mir machen«, sagte Carlyle, »aber im Foyer von New Scotland Yard.«
Jede Spur ihres Lächelns verschwand, als die Juristin in ihr das Wort ergriff. »Ich kann sehen, dass ich mit Ihnen meine Zeit verschwende«, sagte sie scharf, »also kommen wir mal zur Sache. Was für Beweise haben Sie denn eigentlich?«
Ich wünschte, die Leute würden aufhören, mich das zu fragen, dachte Carlyle. »Die Ermittlungen machen ganz normale Fortschritte«, antwortete er lahm.
»Womit kann ich Ihnen denn behilflich sein?«, fragte sie neutral.
»Wollen Sie mir versichern, dass Sie absolut nichts mit der Ermordung von Hogarth, Blake und den anderen zu tun haben?«
Sie starrte ihn ausdruckslos an. »Ich muss Ihnen sagen, dass Fragen dieser Art die Anwesenheit meines Anwalts erforderlich machen.« Sie nahm eine zweite Visitenkarte vom Kaminsims und reichte sie Carlyle.
Er schaute sich den Namen darauf an. »Eine andere Kanzlei?«
»Ja«, sagte sie. »In unserem Laden haben wir niemanden, der sich auf … solche Sachen spezialisiert hat. Und außerdem ist es auch nichts, worüber man mit seinen Kollegen reden möchte.«
»Wohl nicht.«
Der Labrador erschien wieder und hielt nach einem weiteren Keks Ausschau. Susy Ahl lächelte den Hund breit an und tätschelte ihm den Rücken. »Wollen Sie mich festnehmen?«
»Nein.«
»Noch nicht?«
»Noch nicht.«
Das Lächeln wurde breiter. »Keine Beweise?«
Carlyle sagte nichts.
Sie ging zur Tür.
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