Die Verbindung: Thriller (German Edition)
»Ich brauche noch was zu trinken. Möchten Sie auch etwas haben?«
»Nein«, sagte Carlyle. »Ich mache mich jetzt auf den Weg. Nur noch eine abschließende Frage: Haben Sie vor, das Land für irgendwelche weiteren Geschäftsreisen zu verlassen?«
Unter der Wirkung des Weins brauchte sie ein paar Momente, um im Geiste ihren Kalender durchzublättern. »Ich werde in ungefähr zehn Tagen wieder in Dubai erwartet. Lassen Sie mich so bald wie möglich wissen, falls das nicht erlaubt ist.«
»Das mache ich. Wir könnten Sie auch um Ihren Pass bitten. Und wir müssen vielleicht Ihre Fingerabdrücke und eine DNS -Probe von Ihnen haben.«
»Keine Sorge, Inspector«, sagte sie und wedelte mit einer Hand in seiner Richtung, »ich weiß, dass Sie Ihre Arbeit tun müssen, und ich werde Sie in keiner Weise behindern.«
»Vielen Dank.«
Sie fasste ihn plötzlich scharf ins Auge. »Aber ich werde Ihnen auch nicht die Arbeit abnehmen.«
Dann brachte sie ihn zur Haustür. Während sie dort auf der Eingangsstufe stand, sagte sie: »Was war das Schlimmste, was Ihnen je widerfahren ist, Inspector?«
Carlyle atmete tief aus und dachte darüber nach. »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Mir kommt nichts spontan in den Sinn. Ich nehme an, ich habe ziemliches Glück gehabt.«
»Dann können Sie nicht wirklich über mich urteilen, nicht wahr?«
»Nein, das stimmt. Es ist allerdings nicht mein Job zu urteilen, oder?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Das ist es nicht«, sagte er entschieden. »Alles was ich sagen würde, ist, dass die Welt nicht aufhört, sich zu drehen, selbst wenn schreckliche Dinge passieren. Das hört sich vielleicht kaltschnäuzig an, aber es ist die Wahrheit. Falls Sie noch ein Leben haben, machen Sie weiter damit. Quälen Sie sich nicht. Werden Sie kein Opfer. Niemand sonst schert sich einen Dreck darum.«
»Gute Nacht, Inspector«, war die einzige Antwort, die er erhielt.
Er hörte, wie die Haustür klickte, als sie diesmal richtig zugemacht wurde.
Während er zurück zur Stevenage Road ging, setzte sich die Prozession der Flugzeuge über seinem Kopf unvermindert fort. Carlyle war in seinen Gedanken verloren und schenkte ihnen keine Beachtung.
Zweiunddreißig
Das Restaurant Kami no Shizuku, übersetzt »Göttertropfen«, zielte darauf ab, seine Gäste mit einem durchdachten, beinahe spirituellen Ambiente zu umgeben, das die emotionale Gelassenheit gewährleistete, ohne die man nicht gerne mehrere Tausend Pfund für ein einziges Essen ausgab. Der gefeierte italienische Designer Simone Mestaguerra hatte die feinsten natürlichen Materialien ausgewählt, um dem Lokal das kultivierte Image eines zeitlosen Luxus zu verleihen, das soeben noch auf der richtigen Seite der Dekadenz verweilte. Der große Speisebereich, der die Aura eines mittelalterlichen Klosters heraufbeschwor, war ein heiterer Raum, abgeschieden von der ermüdenden Realität des Alltagslebens. Genau der richtige Marmor, der perfekte Kalkstein, die besten Harthölzer, alle waren sie aus der ganzen Welt herbeigeschafft worden, um ein Muster an Vollkommenheit zu kreieren.
Der Inhaber Kanzaki Carew dachte an Mestaguerras Beratungshonorar in Höhe von zweihundertfünfzigtausend Euro und sprach ein stilles Gebet für seine Rettung. Denn an diesem Abend konnte auch der zeitlose Luxus nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Lokal ziemlich leer aussah. Das Geschäft war schleppend, während ein Gast letztes Jahr um diese Zeit durchaus schon mal vier Monate warten musste, wenn er einen Tisch reservieren wollte. Damals hatte der Witz die Runde gemacht, die Nachfrage nach Reservierungen sei so groß gewesen, dass sie auf dem Terminmarkt gehandelt worden wären. Na ja, inzwischen machte niemand mehr Witze: Dieser Markt war, wie so viele andere, zusammengebrochen.
Wie alle anderen war Kanzaki ein Opfer der Rezession geworden. Die Reservierung von Separees durch amerikanische Finanzierungsgesellschaften war im Lauf der letzten Monate völlig zum Erliegen gekommen. Das Mittagsgeschäft – das sich weitgehend aus Ehefrauen von Finanzfuzzis,Mediengestaltern, Imageberatern und Unternehmern zusammensetzte – hatte sich auf ähnliche Weise verflüchtigt. Und die Tage, an denen Banker Zehntausende für Wein während eines Essens ausgaben – was so oft vorgekommen war, dass Kanzaki eine Hausregel eingeführt hatte, nach der das Essen immer umsonst war, wenn die Weinrechnung mehr als zwanzigtausend Pfund betrug –, waren in der Tat eine
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