Die Verbindung: Thriller (German Edition)
stolz und hetero nicht unbedingt darauf hinzuweisen, dass dieser Mord einen schwulen Aspekt hat.«
Joe verzog das Gesicht. »Vielleicht wollte er es nicht wahrhaben. Hatte keine Lust, sich als homosexuell zu outen? Vielleicht war die ganze Spurmo-Nummer nur eine Fassade?«
»Komm schon, heutzutage versteckt niemand mehr seine Homosexualität. Denk an Saxonbys Mum.«
»Ja.« Joe musste kichern. Sergeant Chris Saxonby von der Polizeistation Savile Row war sofort eine Berühmtheit in der Met geworden, als seine Mutter, die einundsiebzigjährige Agnes O’Halloran auf das andere Ufer gewechselt war, indem sie seinen Vater – mit dem sie seit fünfundvierzig Jahren verheiratet war – zugunsten einer siebenundsechzig Jahre alten Freundin verließ. Der Schock der neuen familiären Arrangements seiner Eltern hätte den armen Saxonby fast umgebracht. Er nahm einen Krankheitsurlaub von fast einem Jahr, bevor ihm gestattet wurde, aus familiären Gründen in den Vorruhestand zu gehen. Gleichwohl fand seine Abschiedsparty im schwulsten Schwulenpub in Soho statt.
»Arme Sau«, stellte Carlyle voll Gefühl fest.
»Es könnte schlimmer sein«, murmelte Joe. »Aber um auf unseren Mr Blake zurückzukommen: Du solltest nicht so einspurig denken.«
»Warum nicht?«
»Weil manche Leute alles ficken, was ihnen vor die Flinte kommt«, sagte Joe philosophisch.
»Charmant.«
»Ich weiß.«
»Trotzdem sieht es für deine Theorie nicht allzu gut aus.«
»Ich weiß nicht«, sagte Joe, der seine Hypothese nicht so leicht aufgeben wollte. »Vielleicht wollte er seiner schwulen Seite nachgeben, und dann setzte sich seine Spurmo-Seite zur Wehr, und es gab einen Streit. Vielleicht war es, wie die Zeitung sagt, ein Sexspiel, bei dem etwas … schiefgegangen ist.«
»Das würde aber nicht wirklich zu der Nachricht passen, oder?«
»Nein …« Joe dachte eine Sekunde nach. »Obwohl das nur etwas sein könnte, das uns von der Spur abschütteln sollte. Ein Ablenkungsmanöver?«
»Das deutet eher auf Vorsatz hin als auf ein Verbrechen aus Leidenschaft.«
»Nicht unbedingt. Vielleicht konnte der Mörder schnell denken.«
»Ich weiß nicht.« Carlyle schüttelte den Kopf. »Das sind alles Vermutungen. Was verrät uns Facebook sonst noch?«
»Blake ist im Grunde ein piekfeiner Junge, der nie erwachsen geworden ist. Er geht auf die fünfzig zu, aber benimmt sich wie fünfundzwanzig. Er fährt gerne Ski, mag Kate Nash und Mojitos …«
»Wer ist Kate Nash?«
Joe verdrehte die Augen. »Versuch bitte, ein bisschen auf dem Laufenden zu bleiben, alter Mann. Sie ist eine Liedermacherin, die vor etwa einem Jahr unglaublich in war.«
»Noch nie von ihr gehört«, sagte Carlyle, der keine Sängerin nach Kate Bush hätte nennen können.
»Ich kenne nur ihren Namen«, sagte Joe. »Die Kinder haben eine CD von ihr, glaube ich, aber ich hab sie noch nie selber was singen hören. Abgesehen davon hat sie wahrscheinlich schon mehr Geld gemacht, als du und ich in unserm ganzen Leben verdienen werden … zusammen.«
Carlyle knurrte. Er konnte den ganzen uninteressanten Scheiß aus dem Leben der Opfer nicht ausstehen, der im Lauf einer Untersuchung an ihm vorbeizog. Er fand die Art, wie Leute es schafften, Zeit zu vergeuden, immer wieder erstaunlich. In der Station hatten sie Facebook verboten, weil zu viele Mitarbeiter zu viel Zeit damit verbrachten und die ganze Bandbreite der Station aufsaugten. Bei zwei Gelegenheiten war das Computernetzwerk völlig zusammengebrochen. Das lag vermutlich am Verwaltungspersonal, hoffte er zumindest. War Facebook nicht inzwischen sowieso ein alter Hut? Helen, die sich in sozialer und technologischer Hinsicht für das am besten gebildete Mitglied der Familie hielt, hatte sich ein Konto eingerichtet, aber nach rund einer Woche das Interesse verloren. Carlylewar darüber sehr zufrieden, fast so zufrieden, wie er mit sich selbst war, weil er sich überhaupt nicht angemeldet hatte. Er hatte genug Probleme mit dem wirklichen Leben, und deswegen wäre es der helle Wahnsinn, noch ein virtuelles zu begründen. Das ganze Ding war verdammt gefährlich – eine ihrer Freundinnen ließ sich jetzt scheiden, weil ihr Mann mit einem Mädchen abgehauen war, das er online kennengelernt hatte.
Carlyle stand auf, zog sein Portemonnaie aus der Tasche und gab Marcello einen Fünfer. Er wartete auf das Wechselgeld und steckte es in die Trinkgelddose. »Okay«, sagte er an Joe gewandt, »wir machen Fortschritte. Gehen wir zu Blakes
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